STED-Mikroskopie entlarvt Trick des Aidsvirus
Virologen vom Universitätsklinikum haben gemeinsam mit Physikern vom Deutschen Krebsforschungszentrum einen wichtigen Schritt im Infektionszyklus von HI-Viren entdeckt: Nachdem der AIDS-Erreger seine Wirtszelle verlassen hat, rücken bestimmte Oberflächenproteine, die zunächst zufällig über den HIV-Partikel verteilt sind, eng zusammen. Erst mit der so entstandenen Struktur können die Viren weitere Zellen im menschlichen Blut befallen. Ihre Arbeit haben die Wissenschaftler in der renommierten Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht.
Das Aidsvirus, das so genannte Humane Immundefizienz Virus (HIV), kann sich nicht alleine vermehren. Dazu muss es Zellen des menschlichen Immunsystems befallen. Deren Zellmaschinerie vervielfältigt das Erbgut des Virus und produziert Bestandteile der Virushülle. So etwa das Eiweiß Gag und – in geringer Stückzahl – sogenannte Envelope-Proteine (Env-Proteine gp120 und gp41). Noch innerhalb der Wirtszelle lagern sich die Gag-Proteine selbständig zu einer kugelförmigen Gitterstruktur zusammen, an deren Innenseite das Erbgut des Virus verankert ist. Verlassen die neu gebildeten Viren die Zelle, umgeben sie sich mit einem Teil der Zellhülle. In diesen Mantel werden die Env-Proteine eingelagert. Sie sind unverzichtbar, um an neue Zellen zu binden und diese zu infizieren. Nachdem das Virus freigesetzt ist, werden die Gag-Proteine gespalten und lagern sich um. Erst jetzt sind die Viren infektiös.
„Obwohl die Env-Proteine von Anfang an da sind und sich an deren Aufbau oder Zusammensetzung nichts ändert, muss sich im Inneren des Virus etwas verändern, bevor das nun reife Virus in eine Zielzelle einzudringen vermag. Wir haben uns gefragt, warum das so ist“, sagt Professor Dr. Hans-Georg Kräusslich, Geschäftsführender Direktor des Departments für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg und Seniorautor des Artikels.
Oberflächenproteine bündeln sich, bevor das Virus weitere Zellen befällt
Um diese Frage zu klären, wollten die Wissenschaftler reife und unreife Aidsviren unter dem Mikroskop miteinander vergleichen. Dazu wandten sich die Wissenschaftler um Hans-Georg Kräusslich an Professor Dr. Stefan Hell im benachbarten Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Hell leitet im DKFZ die Abteilung Optische Nanoskopie. Er hat die so genannte STED-Fluoreszenzmikroskopie entwickelt, mit der man erstmals Strukturen optisch erkennen kann, die nur wenige zehn Nanometer, also Millionstel Millimeter, klein sind - und dazu gehören kleinste Proteinstrukturen auf der Oberfläche von HIV. Die Forscher entdeckten, dass sich die vereinzelten Env-Proteine des Virus während der Reifung an einer Stelle sammeln und die so entstandenen Env-Cluster die Kontaktstelle zur nächsten Zielzelle bilden. Dieses Umlagern ist erforderlich, damit das Virus mit der Zellmembran der Wirtszelle verschmelzen und anschließend in die Zelle eindringen kann. „Da das Virus nur 130 nm groß ist, konnten wir diesen Vorgang nur durch eine radikal neue Lichtmikroskopie sichtbar machen, mit der sechs- bis siebenfachen Auflösung herkömmlicher Mikroskope“, so Stefan Hell.
Das interdisziplinäre Team klärte zudem, warum sich die Proteine nicht schon viel früher zusammenfinden: Sie sind anfangs noch mit dem darunter liegenden, starren Gag-Gitter verbunden. Erst wenn das Virus heranreift, wird das Gitter abgebaut und die Env-Proteine können sich frei über die Virusoberfläche bewegen. „Wir schließen aus diesen Ergebnissen, dass die Clusterbildung der Env-Proteine ein essentieller Schritt im Reifungsprozess des Virus ist“, sagt Kräusslich. „Je besser wir die Abläufe in diesem Prozess verstehen, desto eher können wir Schwachstellen von HIV ausfindig machen und als Angriffspunkte für gezielte Therapien nutzen.“
Weitere Informationen:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/virologie
www.dkfz.de/de/nanoscopy/index.php
Literatur:
Jakub Chojnacki, Thorsten Staudt, Bärbel Glass, Pit Bingen, Johann
Engelhardt, Maria Anders, Jale Schneider, Barbara Müller, Stefan W.
Hell, Hans-Georg Kräusslich. Maturation Dependent HIV-1 Surface Protein
Redistribution Revealed by Fluorescence Nanoscopy. Science. 26 October
2012: Vol. 338 no. 6106 pp. 524-528. DOI: 10.1126/science.1226359