Vermehrung von SARS-COV-2 in 3D
Wie übernimmt SARS-CoV-2 die Maschinerien der Wirtszellen? Heidelberger Wissenschaftler setzten die Veränderungen der zellulären Strukturen im Zuge der Virusinfektion detailliert ins Bild. Die Ergebnisse sollen dabei helfen, therapeutische Strategien zu entwickeln.
Im Zuge der weltweiten Corona-Pandemie versuchen Wissenschaftler nicht nur Impfstoffe und Medikamente gegen die Krankheit zu finden, sondern auch kontinuierlich mehr über das Virus selbst zu erfahren. Ralf Bartenschlager, der Forschungsabteilungen am Universitätsklinikum Heidelberg und am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) leitet, erklärt dazu: „Es ist dringend notwendig, sowohl prophylaktische als auch therapeutische Strategien gegen dieses Virus zu entwickeln und umzusetzen." In einer neuen Studie führte Bartenschlager daher gemeinsam mit Wissenschaftlern des Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) unter Verwendung der Elektronenmikroskopie-Anlage des EMBL eine detaillierte bildgebende Analyse durch, um festzustellen, wie das Virus infizierte Zellen umprogrammiert.
Zellen, die durch das Virus infiziert werden, sterben innerhalb von nur 24 bis 48 Stunden ab. Dies deutet darauf hin, dass das Virus die menschlichen Zellen umprogrammiert und zwingt, Virenpartikel zu produzieren. Die Identifizierung dieser morphologischen Veränderungen innerhalb einer Zelle war daher das Hauptziel des Projekts. „Um Medikamente zu entwickeln, welche die virale Replikation unterdrücken und damit auch die Folgen der Infektion und des virusinduzierten Zelltods, ist es entscheidend, die biologischen Mechanismen besser zu verstehen, die den Replikationszyklus des Virus antreiben", erklärt Bartenschlager. Deshalb nutzte das Team die bildgebenden Einrichtungen des EMBL und modernste bildgebende Verfahren, um die 3D-Architektur von SARS-CoV-2 sowie die virusbedingten Veränderungen der infizierten Zellen zu bestimmen.
Das Team war in der Lage, 3D-Rekonstruktionen von ganzen Zellen und den subzellulären Kompartimenten zu erstellen. „Wir liefern kritische Einblicke in virusinduzierte Strukturveränderungen in den untersuchten menschlichen Zellen", erklärt Bartenschlager. Die Bilder zeigten eine offensichtliche und massive Veränderung in den inneren Membransystemen der infizierten Zellen – ein System, das der Zelle dazu dient, verschiedene Abteilungen und Orte zu definieren.
Das Virus verändert Membranen auf eine Art und Weise, dass es seine eigenen Replikationsorganellen produzieren kann. Dies sind Mini-Replikationsgefäße, in denen das virale Genom enorm vervielfältigt wird. Dazu benötigt das Virus die Oberfläche von Membranen, und das Virus holt sich diese Membranen von den Zellen. Es baut sie so um, dass eine Organelle entsteht, die ein sehr charakteristisches Aussehen hat. Die Wissenschaftler beschreiben es als eine massive Ansammlung von Blasen: zwei Membranschichten, die einen großen Ballon bilden. Innerhalb dieser Ballons – die ein sehr abgeschirmtes Behältnis bilden – werden die viralen Genome repliziert und vermehrt. Diese auffälligen Veränderungen zeigen sich bereits wenige Stunden nach der Infektion in den infizierten Zellen.
„Wir sehen, wie und wo sich das Virus innerhalb der Zelle vermehrt und wie es seine Wirtszellen manipuliert, um nach der Vermehrung freigesetzt zu werden", sagte Yannick Schwab vom EMBL. Über die Entstehung und Entwicklung der Auswirkungen, die das Coronavirus im menschlichen Körper hervorruft, war bisher wenig bekannt. Dazu gehören fehlende Kenntnisse über den Mechanismus, wie die Infektion zum Absterben der infizierten Zellen führt. Mit den jetzt vorhandenen Informationen kann die Entwicklung von Therapien, die die Schwere der Krankheit verringern, beschleunigt werden.
Die in dieser Studie gesammelten Informationen und insbesondere die beispiellose Sammlung von 3D-Strukturinformationen von virusinduzierten Substrukturen können von jedermann genutzt werden.
Quelle: Pressemitteilung des EMBL Heidelberg
Mirko Cortese et al. Integrative imaging reveals SARS-CoV-1 2 induced reshaping of subcellular morphologies. Cell Host & Microbe 2020, DOI: https://doi.org/10.1016/j.chom.2020.11.003
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.