Prostatakrebs: familiäres Risiko berechnet
Das Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken, steigt mit der Anzahl direkter Verwandter, die von der Krankheit betroffen sind. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum errechneten jetzt die altersabhängigen individuellen Risiken in der größten Studie, die je zu familiärem Prostatakrebs durchgeführt wurde.
Dass Prostatakrebs „in der Familie liegt“, wissen Ärzte seit langem: Männer, in deren Verwandtschaft die Krankheit bereits diagnostiziert wurde, haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls am Krebs der Vorsteherdrüse zu erkranken. Doch wie hoch ist das Risiko für den Einzelnen? Bei wem und in welchem Alter ist eine Früherkennungsuntersuchung dringend zu empfehlen?
Forscher aus der Abteilung von Kari Hemminki im Deutschen Krebsforschungszentrum analysierten diese Fragen in der größten jemals veröffentlichten Studie zu familiärem Prostatakrebs. Die Untersuchung umfasste 26.651 Prostatakrebspatienten, 5623 von ihnen stammten aus Familien, in denen die Erkrankung bereits aufgetreten war.
Je mehr direkte Angehörige, also Brüder und Väter eines Mannes, betroffen sind, desto höher ist sein persönliches Risiko, ebenfalls an Prostatakrebs zu erkranken. So errechneten die Forscher, dass Männer bis zu 65 Jahren mit drei betroffenen Brüdern ein 23-mal höheres Erkrankungsrisiko haben als die Kontrollgruppe (Männer ohne betroffene Angehörige). Männer zwischen 65 und 74 Jahren dagegen, bei denen nur der Vater betroffen ist bzw. war, haben ein 1,8-fach erhöhtes Risiko und damit innerhalb der Gruppe der familiären Krebsfälle die geringste Risikosteigerung. Als generelle Tendenz erkannten die DKFZ-Forscher, dass das persönliche Risiko umso höher ausfällt, je jünger die Angehörigen bei der Diagnose Prostatakrebs waren.
Erhöhte familiäre Krebsrisiken werden häufig angezweifelt. Die Ergebnisse, so die Kritiker, seien dadurch verfälscht, dass Angehörige von Betroffenen alarmiert sind und daher besonders häufig an Früherkennungsuntersuchungen teilnehmen. Dadurch komme es bei ihnen auch öfter zu Überdiagnosen, da auch solche Tumoren entdeckt würden, die zeitlebens nie Symptome bereitet hätten. Um diesen Vorwurf zu entkräften, untersuchten die Forscher auch die Sterblichkeit an Prostatakrebs in Bezug auf die Anzahl betroffener Verwandter. Heraus kam die gleiche Risikoverteilung wie bei den Neuerkrankungen: Je mehr direkte Verwandte betroffen sind, desto höher das Risiko, an Prostatakrebs zu sterben. Damit wiesen die Wissenschaftler nach, dass es sich um eine echte Risikosteigerung handelt und nicht nur der häufiger durchgeführten Früherkennung geschuldet ist.
„Unsere Ergebnisse geben den Ärzten gute Anhaltspunkte: Hat ein Mann mehrere betroffene Angehörige, die womöglich sogar in jungen Jahren erkrankt sind, ist sein persönliches Risiko erheblich erhöht. In einem solchen Fall sollte der Hausarzt zu einer Früherkennungsuntersuchung raten“, empfiehlt der Studienleiter Kari Hemminki.
Die Studie beruht auf den Daten des schwedischen nationalen Familien-Krebsregisters. Darin sind 11,8 Millionen Personen erfasst und jeder der über eine Million Krebsfälle des Landes, die zwischen 1958 bis 2006 aufgetreten sind. Da das Krebsregister mit einem Mehrgenerationenregister verknüpft ist, können auch Krebsfälle unter den Eltern und Geschwistern der Patienten nachverfolgt werden.
Andreas Brandt, Justo Lorenzo Bermejo, Jan Sundquist und Kari Hemminki: Age-Specific Risk of Incident Prostate Cancer and Risk of Death from Prostate Cancer Defined by the Number of Affected Family Members. European Urology 2010,
DOI: 10.1016/j.eururo.2010.02.002
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