Das Leben virtuell verstehen - Systembiologen tagen in Heidelberg: Deutsche und internationale Experten der neuen Disziplin Systembiologie zu Gast in Heidelberg
Vom 12. bis zum 15. Mai 2009 diskutieren über 500 Wissenschaftler auf dem "German Symposium on Systems Biology 2009" in der Stadthalle Heidelberg die neuesten Erkenntnisse der Systembiologie. Kongresspräsident ist Professor Roland Eils, Leiter der Abteilung Theoretische Bioinformatik am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg und Gründungsdirektor des BioQuant-Zentrums der Universität Heidelberg. Die junge Disziplin nutzt die Ergebnisse aus Experimenten der Biowissenschaften und der Medizin zur Erstellung von Computermodellen. Deutschland ist eine der führenden Nationen in diesem innovativen Forschungsbereich, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit 2002 mit über 100 Millionen Euro fördert. Wissenschaftler aus verschiedenen Fachrichtungen wie Biologie, Medizin, Physik, Mathematik und Informatik arbeiten dabei Hand in Hand, indem sie neueste Technologien zur experimentellen Datenerhebung und Methoden zur Systemmodellierung miteinander kombinieren. Die erstellten Computersimulationen helfen dabei zu verstehen, welche Prozesse in Zellen zur Entstehung von Krankheiten wie Krebs führen und wie eine bessere Therapie möglich ist.
Auf dem Symposium werden internationale Experten sowie Vertreter der deutschen Systembiologie die bisher erzielten Fortschritte präsentieren. So stellte Professor Peter Sorger von der Harvard-Universität in Boston im Eröffnungsvortrag dar, wie mathematische Modelle die Mechanismen aufklären können, mit denen Krebszellen dem natürlichen Zelltod im Körper, der so genannten Apoptose, entgehen. Die über 50 Vorträge des Symposiums beschäftigen sich unter anderem mit der Anwendung der Systembiologie in der Hirnforschung, bei der Signalübertragung, bei Stoffwechselprozessen sowie mit Themen aus dem Bereich der Pflanzenwissenschaften.
„Auch wenn wir von der virtuellen Zelle noch weit entfernt sind, liefern die mathematischen Modelle von Teilprozessen biologischer Systeme schon heute wichtige Erkenntnisse“, sagt Professor Roland Eils, der Organisator der Konferenz. „Neue Verfahren in den Biowissenschaften, wie etwa die gleichzeitige Erfassung der Regulation aller Gene einer menschlichen Zelle, erzeugen enorme Datenmengen und erfordern den Einsatz von computergestützten Verfahren. Mit Ansätzen der Synthetischen Biologie erweitern wir die Systembiologie noch um das Konzept, Organismen gezielt zu programmieren, so dass sie bestimmte Aufgaben, etwa bei der Krankheitsbekämpfung, übernehmen können.“ So gelang es einer Gruppe von Studenten unter der Anleitung von Professor Roland Eils, Bakterien so zu programmieren, dass sie Krebszellen gezielt vernichten. Mit dieser Arbeit setzten sie sich beim internationalen iGEM-Wettbewerb des MIT in Boston gegen mehr als 80 Mitbewerber durch.
Auch im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) bildet dieser neue Wissenschaftszweig einen immer wichtigeren Teil der Erforschung der Ursachen von Krebs. So spielt die Systembiologie etwa beim internationalen Krebsgenomprojekt eine entscheidende Rolle: „Die anfallenden Datenmengen aus der Sequenzierung von insgesamt 50 000 Einzelgenomen können nur mit der Hilfe der Bioinformatik überhaupt bewältigt werden“, erklärte Professor Otmar Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums bei seinem Eröffnungsvortrag auf der Konferenz.
Mit dem BioQuant-Zentrum betreibt die Universität Heidelberg seit 2007 ein Forschungsgebäude, das eigens der interdisziplinären Zusammenarbeit von experimentell arbeitenden Lebenswissenschaftlern und theoretisch arbeitenden Informatikern, Physikern oder Mathematikern gewidmet ist.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.