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Befehl zum Selbstmord abgelehnt: Warum Tumorzellen resistent werden

Nr. 36 | 20.06.2008 | von (Sel)

Bei irreparablen Erbgutschäden leiten Zellen normalerweise den programmierten Zelltod, die Apoptose ein. Bei Tumorzellen versagt dieser Mechanismus jedoch häufig, was dazu führt, dass sich entartete Zellen vermehren und im Körper ausbreiten können. Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum entdeckten nun, worauf dieses Versagen zurückzuführen sein könnte: Tumorzellen bauen ein Protein, das die Apoptose bei Erbgutschäden auslöst, einfach ab. Eine Blockade dieses Proteinabbaus könnte die Apoptose wieder in Gang bringen und damit die Wirksamkeit von Strahlen- oder Chemotherapie verbessern. Ihre Arbeiten haben die Forscher jetzt in Nature Cell Biology veröffentlicht.

Das HIPK2 Protein (grün) und sein Abbaufaktor Siah-1 (rot) treffen sich (gelb) im Zellkern (blau)
© dkfz.de

Proteine, die den programmierten Zelltod, die Apoptose, auslösen, müssen sorgfältig unter Kontrolle gehalten werden. Schließlich darf die Zelle nur dann ihren Tod einleiten, wenn ihr Erbgut so stark geschädigt ist, dass eine Entartung zur bösartig wachsenden Tumorzelle zu befürchten ist. Leichtere Erbgutschäden dagegen kann die Zelle mithilfe spezieller Reparaturmechanismen beheben – kein Grund zum Selbstmord also!

Zu den Proteinen, die nach einer schweren Schädigung des Erbguts die Apoptose auslösen, zählt das Molekül HIPK2. Wissenschaftler um Dr. Thomas Hofmann im Deutschen Krebsforschungszentrum zeigten nun, dass HIPK2 in gesunden Zellen zwar kontinuierlich gebildet, aber gleich wieder abgebaut wird: Das Enzym Siah-1 heftet Markierungen an HIPK2 und kennzeichnet es damit als "Müll". Damit verhindert die Zelle, dass die Apoptose "versehentlich" ausgelöst wird.

Leicht geschädigte Zellen fallen in eine Art Alarmzustand: Sie blockieren den Abbau von HIPK2 durch Siah-1 kurzfristig, sobald der Schaden jedoch repariert ist, kennzeichnet die Zelle HIPK2 sofort wieder als Müll und baut das Molekül ab. Erst in schwer geschädigten Zellen, etwa durch einen Bruch des DNA-Doppelstranges, ist der Abbau von HIPK2 durch das Enzym Siah-1 dauerhaft blockiert, HIPK2 kann sich anreichern, die Apoptose wird ausgelöst, die Zelle begeht Selbstmord.

Genau hier, so vermuten die Forscher, könnte eine der Ursachen dafür liegen, warum in manchen Fällen die Strahlen- oder die Chemotherapie versagt: Beide Behandlungsverfahren lösen schwere Schäden in Tumorzellen aus, die schließlich zum programmierten Zelltod führen. "Wenn Resistenzen auftreten, liegt das oft daran, dass die Tumorzellen sich ‚weigern’, den Befehl zum Selbstmord anzunehmen", erklärt Thomas Hofmann.

Um den Abbau von HIPK2 zu verhindern, blockierten Hofmann und seine Kollegen im Experiment das Enzym Siah-1. Daraufhin konnte sich auch in nur leicht geschädigten Tumorzellen HIPK2 anreichern, und die Apoptose wurde ausgelöst. "Möglicherweise kann sich die Krebsmedizin unsere Entdeckung zunutze machen", spekuliert Hofmann weiter. "Etwa indem wir gleichzeitig mit der Chemo- oder Strahlentherapie einen Blocker für Siah-1 einsetzen und die Zellen damit wieder dem Apoptose-Programm zuführen."

Melanie Winter, Dirk Sombroek, Ilka Dauth, Jutta Moehlenbrink, Karin Scheuermann, Johanna Crone and Thomas G. Hofmann: Control of HIPK2 stability by ubiquitin ligase Siah-1 and checkpoint kinases ATM and ATR. Nature Cell Biology, 2008; DOI 10.1038/ncb1743.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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