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Gemeinsamer Nenner von Entzündung und Fettleber: Krebsforscher finden Schlüsselmolekül für Tumorkachexie

Nr. 31 | 27.05.2008 | von (Sel)

Viele Krebspatienten verlieren während ihrer Krankheit stark an Gewicht: Fett- und Muskelmasse wird abgebaut, freigewordene Fettsäuren werden in der Leber eingelagert, was schließlich bei den betroffenen Patienten zur Fettleber führt. Die Ursache für die sogenannte Tumorkachexie scheinen Signale zu sein, die der Tumor selbst aussendet. Doch trotz intensiver Suche konnten diese "Abbau-Signale" des Tumors bisher nicht dingfest gemacht werden. Ein Forscherteam im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg ging deshalb den umgekehrten Weg: Statt im Tumor nach Hungersignalen zu fahnden, untersuchten sie das andere Ende der Signalkette: die Leberzellen von an Krebs erkrankten Mäusen. Und dabei stießen sie auf einen molekularen Marker, der sowohl Stoffwechselvorgänge als auch Entzündungsreaktionen kontrolliert.

Im fortgeschrittenen Stadium einer Krebserkrankung, insbesondere bei Tumoren der Bauchspeicheldrüse und der Lunge, leiden die Patienten häufig an der sogenannten Tumorkachexie: Sie sind stark abgemagert und geschwächt, nicht selten droht Organversagen. Insbesondere das Körperfett wird abgebaut und in der Leber eingelagert, eine Fettleber entsteht. Ursache hierfür scheinen Signale vom Tumor selbst zu sein, die die Stoffwechselvorgänge im Körper radikal in Richtung Abbau dirigieren und eine chronische Entzündung im Körper bewirken. Trotz intensiver Suche konnten diese Signale bislang nicht dingfest gemacht werden.Stephan Herzig, Leiter der Emmy Noether und Marie Curie Nachwuchsgruppe Molekulare Stoffwechselkontrolle des Deutschen Krebsforschungszentrums, wandte sich mit seiner Gruppe dem anderen Ende der Signalkette zu: Die Wissenschaftler untersuchten die Leberzellen von Mäusen, die Tumoren trugen und starke Anzeichen einer Tumorkachexie zeigten. Insbesondere fahndeten sie nach dem Molekül RIP 140, das Herzig zuvor als Hemmschalter des Fettabbaus in der Leber gesunder Mäuse identifiziert hatte. Und tatsächlich zeigten die an Krebs erkrankten Mäuse eine hohe Aktivität von RIP 140, und entsprechend wies ihre Leber Merkmale einer Fettleber auf. Schaltete Herzig das Molekül gezielt in den Leberzellen der tumortragenden Mäuse aus, so normalisierte sich der Fetthaushalt der Leber innerhalb weniger Tage. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift "Hepatology".

Neben der Fettleber sind auch hochaktive Immunzellen ein kennzeichnendes Merkmal der Auszehrung von Tumorpatienten: Makrophagen wandern vermehrt ins Fett- oder Lebergewebe ein und schütten Botenstoffe wie Interleukin 6 oder Tumornekrosefaktor alpha aus: Die Folge ist eine Entzündungsreaktion in diesen Organen, die schließlich zur Fehlfunktion des Stoffwechsels und zum Energieverlust der Patienten beiträgt. In London haben Kooperationspartner von Stephan Herzig Mäuse gezüchtet, denen das RIP-140 -Molekül komplett fehlt: Die Tiere sind rank und schlank und bleiben dies auch bei üppiger Kost. Beim Vergleich mit normalen Mäusen entdeckten die Forscher um Stephan Herzig jetzt, dass ihre Makrophagen auch kaum entzündungsfördernde Botenstoffe ausschütten. Dabei übt das RIP-140-Molekül seine Wirkung in diesen Entzündungszellen über einen weiteren „Chef-Regulator“ aus, den Transkriptionsfaktor NFkB. Diese Ergebnisse wurden gerade in der Fachzeitschrift "Blood" publiziert.

"Damit haben wir ein weiteres Puzzlesteinchen eingefügt in die große unbekannte Signalkette vom Tumor bis zur Tumorkachexie", beschreibt Stephan Herzig die Bedeutung seiner beiden Arbeiten. "Jetzt suchen wir natürlich nach dem Aktivator von RIP 140", erklärt er sein nächstes Ziel, "und so arbeiten wir uns langsam von Glied zu Glied vor, bis zum Tumor." Um eines Tages hoffentlich das "Hungersignal" des Tumors zu finden.

Mauricio Berriel Diaz, Anja Krones-Herzig, Dagmar Metzger, Anja Ziegler, Alexandros Vegiopoulos, Martin Klingenspor, Karin Müller-Decker, Stephan Herzig. Nuclear receptor co-factor RIP140 controls hepatic triglyceride metabolism during wasting in mice. Hepatology 2008, DOI: 10.1002/hep.22383

Zschiedrich, I., Hardeland, U., Krones-Herzig, A., Vegiopoulos, A., Berriel Diaz, M., Müggenburg, J., Sombroek, D., Hofmann, T., Zawatzky, R., Yu, X., Gretz, N., Christian, M., White, R., Parker, M.G., and Herzig, S. Co-activator function of RIP140 for NFkB/p65-dependent cytokine gene expression. Blood 2008 May 9, DOI 10.1182/blood-2007-11-121699

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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