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Balance der Neubildung von Blutgefäßen entscheidet über Bösartigkeit

Nr. 50 | 31.07.2007 | von (Koh)

Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum zeigen, wie die Gefäßneubildung ("Angiogenese") bei Krebs durch ein Netzwerk hunderter von Genen gesteuert wird. Der Übergang vom gesunden Pankreasgewebe zum Pankreaskrebs ist durch eine gesteigerte Aktivität angiogenesefördernder Gene charakterisiert.

Mikroskopisch kleine, neu entstandene Tumoren können über Monate oder gar Jahre hinweg in einem Schlafzustand verharren, ohne eigene Blutgefässe auszubilden. Erst eine Art zellulärer Schalter bewirkt, dass Gene aktiviert werden, die für das Aussprossen neuer Adern notwendig sind. Mit der Gefäßneubildung gehen oft schnelles, invasives Tumorwachstum und die Bildung von Metastasen einher. Medikamente, die gegen Schlüsselmoleküle der Angiogenese gerichtet sind, verlängern heute bereits das Leben vieler Krebspatienten.

Dr. Dr. Amir Abdollahi und Professor Dr. Dr. Peter Huber im Deutschen Krebsforschungszentrum untersuchten gemeinsam mit Wissenschaftlern der Universität Heidelberg und aus den USA, was sich beim Umlegen des Angiogenese-Schalters auf molekularer Ebene abspielt. Die Wissenschaftler prüften die genetische Antwort von Blutgefäßzellen (Endothelzellen) auf bekannte angiogenesefördernde Faktoren und Angiogenese-Inhibitoren. Dabei offenbarte sich ein Netzwerk aus hunderten von Genen, das die Gefäßbildung reguliert. Das Netzwerk umfasst sowohl bekannte Gene, als auch solche, die bislang noch nicht mit Angiogenese in Verbindung gebracht wurden. Im "proangiogenen" Zustand sind die angiogenesefördernden Gene angeschaltet, die antiangiogenen Gene abgeschaltet. Der Organismus reagiert darauf mit dem Aussprossen neuer Blutgefäße. Beim "antiangiogenen" Zustand des Gen-Netzwerks verhält es sich genau umgekehrt, die Blutgefässbildung wird verhindert.

Messungen der Genaktivität in Gewebeproben von Patienten mit Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse zeigten die klinische Bedeutung dieser Befunde. Vom normalen Pankreasgewebe über chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung bis hin zum Pankreaskrebs fanden die Wissenschaftler ein stetiges Ansteigen der Aktivität derjenigen Gene, die zuvor im Zellexperiment als angiogenesefördernd ermittelt worden waren. Diese Tendenz wurde an PPARδ, einem Gen, dessen Bedeutung bei der Tumorentstehung und Gefäßbildung bislang nicht bekannt war, genauer analysiert. Die Wissenschaftler zeigten, dass die Konzentration des PPARδ-Proteins vom Normalgewebe über die entzündete Bauchspeicheldrüse bis zum metastasierenden Pankreaskrebs kontinuierlich ansteigt. Auch andere bösartige Tumoren, etwa Brust- oder Prostatakrebs, bilden erhöhte Mengen des angiogenesefördernden Eiweißes.

Um die tatsächliche Rolle des Proteins auf die Tumor-Gefäßbildung zu untersuchen, transplantierten die Wissenschaftler genveränderten Mäusen, die kein eigenes PPARδ ausbilden, Haut- und Lungenkrebszellen. Im Vergleich zu normalen Tieren wuchsen die Tumoren in den genveränderten Mäusen bei schlechterer Gefäßversorgung deutlich langsamer.

PPARδ ist aber nur eine der vielen zentralen Schaltstellen im angiogenen Netz. "Die Regulation der Angiogenese scheint noch komplexer zu sein als bisher angenommen", sagt Peter Huber, Leiter des Projekts. " Wir meinen daher, dass es bei einer Krebstherapie nicht ausreicht, nur einen der Beteiligten zu hemmen. Die antiangiogene Therapie ließe sich möglicherweise verbessern, wenn an mehreren der zentralen Schaltstellen des Netzes gleichzeitig angegriffen würde. Eine davon könnte PPARδ sein."

Amir Abdollahi, Christian Schwager, Jörg Kleef, Irene Esposito, Sophie Domhan, Peter Peschke, Kai Hauser, Philip Hahnfeldt, Lynn Hlatky, Jürgen Debus, Jeffrey M. Peters, Helmut Friess, Judah M. Folkmann und Peter E. Huber: Transcriptional network governing the angiogenetic switch in human pancreatic cancer. Proceedings of the National Academy of Science 2007, DOI: 10.1073/pnas.0705505104

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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