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GENOMICS AND CANCER 2006 - Kongressbericht III

Krebs und Infektionen - gibt es gemeinsame Mechanismen?

Nr. 76 | 15.09.2006 | von (Koh)

Forscher aus Italien zeigen, wie Helicobacter pylori in Zellen der Magenschleimhaut den ersten Schritt der Krebsentstehung auslöst. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum erforschen ein Schlüsselmolekül bei der Entstehung von Krebs, Infektion und Entzündung.

Das Bakterium Helicobacter pylori ist für die Entstehung von Magengeschwüren, aber auch von Magenkrebs, verantwortlich. Dr. Fabio Bagnoli, Novartis Vaccines, Siena, Italien, untersucht, wie Helicobacter die Zellen der Magenschleimhaut entarten lässt. Wie eine ganze Reihe bakterieller Krankheitserreger auch, injiziert Helicobacter, der aufgrund spezieller Enzymausstattung die Säureattacken des Magens überlebt, ein Protein in die Epithelzellen der Magenschleimhaut. Bei anderen Erregern dient eine solche Protein-Injektion dazu, sich Zugang ins Zellinnere zu verschaffen. Helicobacter jedoch, so stellte die Arbeitsgruppe aus Siena fest, bewirkt mit seinem CagA genannten Protein eine ganze Reihe dramatischer Veränderungen der Zellbiologie.

Wie alle Epithelzellen haben auch die Zellen der Magenschleimhaut zwei verschieden definierte Seiten: Eine richtet sich nach außen, in den Hohlraum des Organs, die andere tritt mit der Blutversorgung des Gewebes in Kontakt. Zwischen den beiden Polen bilden die Zellwände über enge Kontakte eine dichte Barriere. Diese geordneten Verhältnisse bringt Helicobacter gehörig durcheinander. Nach CagA-Injektion verlieren die Epithelzellen ihre Polarität, die Kontaktstellen brechen auf. Die Zellen bilden füßchenartige Auswüchse, die ihnen Mobilität verleihen, und beginnen, die Basalmembran, die sie von den Blutgefäßen trennt, zu durchbrechen. CagA bewirkt Zellveränderungen, wie sie auch von manchen Krebsgenen ausgelöst werden. Die italienischen Wissenschaftler vermuten, dass CagA damit den ersten Schritt bei der Entwicklung von Magenkrebs auslöst.

Für ein Schlüsselmolekül bei Krebsentstehung, Infektion und Entzündung hält Privatdozent Dr. Jan Mollenhauer, Abteilung Molekulare Genomanalyse im Deutschen Krebsforschungszentrum, das Protein DMBT1. Das Gen für DMBT1 fiel zuerst durch seine Abwesenheit auf: In Zellen bösartiger Hirntumoren, so entdeckte Mollenhauer, fehlt die Erbinformation für DMBT1. Inzwischen ist bekannt, dass bei 84 Prozent aller Tumoren, die von Epithelzellen abstammen, das DMBT1-Gen ganz oder teilweise verloren gegangen ist.

Zahlreiche Ergebnisse belegen eine Rolle von DMBT1 auch bei der Infektabwehr. So bindet und verklumpt das Eiweiß Viren und Bakterien, die so wahrscheinlich ihre Infektionsfähigkeit verlieren. Außerdem lockt DMBT1 Immunzellen an den Ort des Geschehens.

Mollenhauers jüngste Ergebnisse zeigen, dass DMBT1 auch an entzündlichen Prozessen beteiligt ist. So steigern Zellen der Darmschleimhaut auf Entzündungsreize hin die DMBT1-Produktion. Das Protein NOD2, ein wichtiger und zentraler Sensor der Zelle für bakterielle Infektionen, gibt in Zellen der entzündeten Darmschleimhaut von Morbus-Crohn-Erkrankten das Signal zu einem starken Anstieg der DMBT1-Produktion.

Mollenhauer schließt aus all den Einzelergebnissen, dass komplexen Erkrankungen wie Krebs, Infektion und Entzündung gemeinsame molekulare Mechanismen zugrunde liegen, an denen übergeordnete Schlüsselmoleküle wie NOD2, DMBT1 und einige andere beteiligt sind. Solche Metaproteine, so spekuliert der Wissenschaftler, könnten als zentrale Angriffspunkte für die Behandlung einer ganzen Reihe von Erkrankungen geprüft werden.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum veranstaltet die Tagung „GENOMICS AND CANCER 2006“ in Zusammenarbeit mit dem Nationalen Genomforschungsnetz (NGFN), einer Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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