Eine Erfolgsgeschichte gegen Gebärmutterhalskrebs
Der weltweit erste Impfstoff, der gezielt zur Vorbeugung einer Krebserkrankung entwickelt wurde, ist Ende Juni in den USA auf den Markt gekommen. Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und den US-amerikanischen National Institutes of Health bildeten die Basis für die Entwicklung des Impfstoffes.
Vor rund dreißig Jahren postulierte Professor Dr. Harald zur Hausen, der spätere langjährige wissenschaftliche Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums, einen Zusammenhang zwischen einer Infektion mit Warzenviren (humanen Papillomviren, HPV) und der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs. Einige Jahre darauf wurde in seinem Labor der Beweis erbracht, dass bestimmte Typen dieser Viren tatsächlich ursächlich an der Entstehung der Tumoren beteiligt sind.
Die Erkenntnis, dass Gebärmutterhalskrebs durch Viren ausgelöst wird, brachte die Wissenschaftler schnell auf die Idee, der Erkrankung mit einer Impfung gegen den Erreger vorzubeugen. Die klassische Methode der Impfstoffproduktion, Anzucht und anschließende Inaktivierung des Virus, schied bei HPV aus: Eine Anzucht des Erregers im Labor ist nicht möglich. Daher kam nur ein mit gentechnischen Verfahren hergestellter Impfstoff in Frage.
Anfang der Neunzigerjahre stellte sich heraus, dass sich ein einziges, als L1 bezeichnetes Eiweiß aus dem Proteinkapsid des Virus, spontan zu "leeren" Viruspartikeln, so genannten virus like particles (VLP) zusammenlagern kann. Diese Partikel sind als Impfstoff ideal, da sie wegen der nahezu identischen Struktur vom Immunsystem wie "echte" Viren behandelt werden. Jedoch enthalten sie kein Erbmaterial und sind daher nicht infektiös. Professor Dr. Lutz Gissmann aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und seinen Kollegen gelang es, in Kooperation mit den US-amerikanischen National Institutes of Health auf der Basis eines aus HPV16 isolierten L1-Gen große Mengen VLPs herzustellen. Das Deutsche Krebsforschungszentrum und das NIH sind gemeinsame Eigentümer der Patente für dieses Gen, das als Grundlage für den nun verfügbaren Impfstoff dient.
Der Impfstoff ist gegen die beiden wichtigsten krebserregenden Typen HPV16 und HPV18 gerichtet, außerdem gegen die Genitalwarzen (Condylomata acuminata) verursachenden Typen HPV6 und 11 und schützt vor rund 70 Prozent aller Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Er wurde in klinischen Studien an rund 25.000 Frauen getestet und konnte HPV16- bzw. HPV18-assoziierten Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs hundertprozentig vorbeugen. In Deutschland wird der Impfstoff voraussichtlich Anfang nächsten Jahres zugelassen und von Sanofi Pasteur MSD GmbH vertrieben werden.
In Ländern der Dritten Welt, in denen Krebsfrüherkennungsprogramme oftmals nicht zur Verfügung stehen, ist Gebärmutterhalskrebs ein großes gesundheitliches Problem. In Deutschland erkranken trotz der Einführung des gesetzlichen Früherkennungsprogramms in den Siebzigerjahren pro Jahr rund 6500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs, 1762 Frauen verstarben 2003 an der Erkrankung.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.