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Freispruch: Kein Zusammenhang zwischen Herpes-Viren und bösartigen Hirntumoren

Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums liefern Beweise, die gegen eine Beteiligung von Herpes-Viren an der Entstehung von primären Hirntumoren sprechen.

Nr. 51 | 27.06.2006 | von (Lö/And)

Gliome sind die häufigsten Hirntumoren bei Erwachsen und können nur selten erfolgreich behandelt werden. Wissenschaftler fahnden daher verstärkt nach Risikofaktoren, die eine Tumorentstehung begünstigen und von denen man sich neue Ansätze zur Vorbeugung erhofft. Bereits seit einigen Jahren werden Viren mit der Entstehung von Hirntumoren in Verbindung gebracht - eine Annahme, die unter Wissenschaftlern allerdings umstritten ist. Unter Verdacht stehen auch die weit verbreiteten Herpes-Viren. Zu den Zellen, die von Herpes-Viren infiziert werden, gehören unter anderen Glia-Zellen, jene Zellen des Gehirns, aus denen sich Gliome entwickeln. Mit dem Bericht einer amerikanischen Arbeitsgruppe, die die zur Gruppe der Herpes-Viren gehörenden Zytomegalie-Viren in einer Vielzahl von malignen Hirntumoren nachgewiesen hatte, rückten diese Viren in den Fokus von Tumorvirologen des Deutschen Krebsforschungszentrums.

Um herauszufinden, ob Zytomegalie-Viren an der Entwicklung von Hirntumoren beteiligt sind, führte Sabine Poltermann eine virologisch-epidemiologische Studie durch. Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Promotionsarbeit entstand in einer Zusammenarbeit der Arbeitsgruppe Umweltepidemiologie und der Abteilung Tumorvirologie. Poltermann analysierte Gewebeproben aus Hirntumoren von 77 Patienten. Die Proben wurden von der neurochirugischen Universitätsklinik zur Verfügung gestellt. Dabei wählten die Forscher unterschiedliche methodische Vorgehensweisen, um mögliche Fehlerquellen auszuschließen. Weder Analysen mithilfe der PCR, einem klassischen molekularbiologischem Werkzeug, noch der immunologische Nachweis von Viruspartikeln im Tumorgewebe lieferten jedoch Hinweise auf eine Zytomegalie-Virus-Infektion: Keiner der Tumoren enthielt den Erreger. Um den Widerspruch zu den Ergebnissen der amerikanischen Kollegen aufzuklären, gingen die Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums der Frage nach, ob eine Verunreinigung der Tumorproben mit Virus-infizierten Blutzellen zu einer Fehlinterpretation geführt haben könnte. Doch auch in den Blutproben der Patienten war kein Virus nachweisbar.

In einem weiteren Ansatz wurde der Zusammenhang zwischen bereits zurückliegenden Virus-Infektionen und dem Risiko, an einem Hirntumor zu erkranken, untersucht. Überstandene Infektionen lassen sich mithilfe von Antikörpern nachweisen, die vom Immunsystem zur Abwehr von Krankheitserregern gebildet werden und noch Jahre später im Blut zirkulieren. Da Zytomegalie-Viren nicht die einzigen Herpes-Viren sind, die mit Gehirntumoren in Verbindung gebracht werden, schlossen die Wissenschaftler drei weitere Vertreter dieser Gruppe (Herpes simplex, Varizella-Zoster und Epstein-Barr) in ihre Analyse mit ein. Die Blutproben zahlreicher Patienten enthielten zwar Antikörper gegen Herpes-Viren als Beweis für eine zurückliegende Infektion. Die Häufigkeit einer Herpes-Virus-Infektion lag bei den Hirntumorpatienten jedoch nicht höher als beim Durchschnitt der Bevölkerung.

Eine Beteiligung von Herpes-Viren an der Entstehung von primären Hirntumoren ist demzufolge als sehr unwahrscheinlich anzusehen. Zu diesem Ergebnis kamen auch zwei weitere Arbeitsgruppen in unabhängig vom Deutschen Krebsforschungszentrum durchgeführten Studien.

"Lack of association of herpesviruses with brain tumors" Sabine Poltermann, Brigitte Schlehofer, Karen Steindorf, Paul Schnitzler, Karsten Geletneky und Jörg R. Schlehofer. Journal of NeuroVirology Band 12, Seite 90, 2006

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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