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Die Rolle der Gene bei der Entstehung von Non-Hodgkin-Lymphomen

Individuelle genetische Variationen erhöhen das Risiko, an einem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken

Nr. 76 | 15.12.2005 | von (JL)

Erstmals untersuchte ein internationales Epidemiologen-Konsortium – zu dem auch Dr. Alexandra Nieters und Professor Nikolaus Becker aus der Abteilung Klinische Epidemiologie des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) gehören - in der so genannten InterLymph-Studie genetische Faktoren für die Entstehung von Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL). Die Wissenschaftler des International Lymphoma Epidemiology Consortiums fanden heraus, dass Variationen einzelner DNS-Bausteine in Genen, die für die zellulären Signalmoleküle Tumornekrosefaktor (TNF) und Interleukin 10 (IL-10) kodieren, das Risiko erhöhen, an einem Non-Hodgkin-Lymphom zu erkranken.

Die Studie ist ein Schritt zu einem besseren Verständnis der Entstehung von Lymphomen, was in Zukunft zu neuen Ansätzen in der Prävention und der Therapie führen könnte. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher jetzt online in der Zeitschrift Lancet Oncology*.

In die Studie flossen Daten aus acht Fallkontrollstudien aus verschiedenen Ländern mit insgesamt 3586 NHL-Patienten und 4018 gesunden Personen als Vergleichsgruppe ein. Die Epidemiologen interessierten sich für 12 verschiedene Varianten einzelner DNS-Bausteine, so genannte Einzelnukleotid-Polymorphismen; diese liegen in Genen, deren Produkte wichtige Funktionen in der Immunabwehr und bei der Entzündungsantwort steuern. Die Forscher fanden bei zwei Varianten, die die Gene für den Tumornekrosefaktor beziehungsweise Interleukin 10 betreffen, ein erhöhtes individuelles Risiko, an NHL zu erkranken. Bei der Analyse verschiedener NHL-Subtypen stellten sie fest, dass die beiden Genvarianten spezifisch das Risiko erhöhen, an einem diffus großzelligen B-Zell-Lymphom zu erkranken, der häufigsten Form maligner Lymphome. Bei Menschen, die eine Kopie des seltenen Polymorphismus im TNF-Gen tragen, erhöht sich das Erkrankungsrisiko um 29 Prozent, bei Trägern zweier Kopien um 65 Prozent. Die Kombination beider Genvarianten in TNF und IL10 führt zu einer Verdopplung des individuellen Erkrankungsrisikos. Das Risiko für das follikuläre Lymphom, eines in der Regel weniger aggressiven Lymphom-Typs, wird durch die Kombination dieser Varianten nicht beeinflusst.

In den vergangenen Jahren stand bei der Lymphom-Erforschung die Suche nach umwelt- oder Lebensstil-bedingten Risikofaktoren im Vordergrund. Die jetzt veröffentlichte Studie ist ein wichtiger Schritt, auch die genetischen Faktoren in der NHL-Entstehung besser zu verstehen. „Wir haben bei zwölf untersuchten Faktoren zwei Treffer gelandet. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit, da wir in Zukunft nicht nur den Einfluss genetischer Faktoren auf die Entstehung von Non-Hodgkin-, sondern von Lymphomen generell untersuchen wollen. Interessant sind hier im Grunde alle Gene, die Signalwege in der Zelle z.B. bei entzündlichen Prozessen oder in zelleigenen DNS-Reparatursystemen beeinflussen“, beurteilt Alexandra Nieters die Bedeutung der Studie für die Lymphom-Forschung. In Zukunft wollen die Epidemiologen verstärkt genetische und umweltbedingte Einflüsse der Lymphom-Entstehung gleichzeitig untersuchen.

Die Studie unterstreicht die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit bei der Suche nach genetischen Ursachen chronischer Erkrankungen: Sie wurde erst möglich, nachdem Studien, aus verschiedenen Ländern zusammengetragen wurden – erst dadurch ergab sich eine Teilnehmerzahl, die statistisch abgesicherte Effekte liefert, die aus den Einzelstudien nicht hätten gewonnen werden können.
Unter dem Dach des InterLymph Consortiums suchen seit 2002 Forscher aus USA, Kanada, Australien, Deutschland, Italien, England, Frankreich, Spanien, Irland, Tschechien, Schweden und Dänemark gemeinsam nach möglichen Ursachen und Risikofaktoren für die Entstehung von Lympdrüsenkrebs. Die Zusammenarbeit soll künftig auf asiatische und afrikanische Länder ausgedehnt werden.

Beim Lymphdrüsenkrebs unterscheidet man zwischen Hodgkin- und Non-Hodgkin-Lymphomen. Zu den Non-Hodgkin-Lymphomen zählen viele Erkrankungsvarianten des lymphatischen Systems, die sich in Gewebestruktur und Krankheitsverlauf stark unterscheiden. In Deutschland erkranken jährlich etwa 13 000 Menschen neu an einem Non-Hodgkin-Lymphom, pro Jahr sterben hierzulande mehr als 5000 Menschen daran.

Dieses Projekt des Interlymph Consortiums wird von der José Carreras Leukämie-Stiftung und dem Bundesamt für Strahlenschutz gefördert.

*Nathaniel Rothman, Christine F. Skibola, Sophia S. Wang, et al., and Alexandra Nieters: “Genetic variation in TNF and IL10 and risk of non-Hodgkin lymphoma: a report from the InterLymph Consortium“,Lancet Oncology, veröffentlicht online am 29.November 2005 / DOI: 10.1016/S1470-2045(05)70434-4

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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