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Überschätztes Krebsrisiko in der Familie

Nr. 60 | 02.11.2005 | von (Koh)

Sind wirklich immer Gene oder Umwelteinflüsse schuld daran, wenn sich Krebsfälle in einer Familie häufen? Dr. Justo Lorenzo Bermejo und Professor Dr. Kari Hemminki aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum zeigen einen bisher wenig beachteten Grund dafür auf, warum in manchen Familien überdurchschnittlich viele Angehörige an bösartigen Tumoren erkranken: Besorgt über die Krebsdiagnose eines nahen Verwandten nehmen dessen Kinder oder Geschwister verstärkt Früherkennungsuntersuchungen wahr, so vermuten die Autoren. Dabei werden vermehrt Tumoren in einem frühen Stadium diagnostiziert, die sonst unter Umständen gar nicht entdeckt worden wären.

Basierend auf den Daten des schwedischen Familienkrebsregisters untersuchten die Epidemiologen die Erkrankungshäufigkeit von fast 1,7 Millionen Nachkommen und Geschwistern von rund 850.000 Krebspatienten. Als Vergleich wurde die schwedische Allgemeinbevölkerung herangezogen. Die Wissenschaftler untersuchten Fälle von Brust-, Darm-, Lungen-, Gebärmutterhals- und Prostatakrebs sowie Melanome.

Spielt die Sorge um die eigene Gesundheit wirklich eine Rolle, so argumentieren die Epidemiologen, so müssten im Jahr der ersten Krebsdiagnose in der Familie besonders viele Tumoren bei den Angehörigen entdeckt werden. In den darauf folgenden Jahren sollte sich die familiäre Häufung verlieren.
Tatsächlich zeigte sich dieser Zusammenhang deutlich bei Töchtern, deren Mütter an Brustkrebs erkrankt waren: Im Jahr der mütterlichen Diagnose wurde bei ihnen 4,78 Mal häufiger lokal begrenzter Brustkrebs diagnostiziert als bei der Allgemeinbevölkerung. Fünf Jahre später dagegen war kaum noch eine familiäre Häufung zu beobachten. War ein Elternteil am Melanom erkrankt, so wurde der bösartige Hautkrebs bei dessen Nachkommen in Jahr der Diagnose acht Mal häufiger diagnostiziert als in der Allgemeinbevölkerung.
Auch bei Geschwistern von Krebspatienten nahm das Risiko, an lokal begrenztem Brust- und Gebärmutterhalskrebs sowie an Prostatakrebs zu erkranken, mit den Jahren nach der Diagnose des Geschwisters ab.

„Unsere Daten zeigen deutlich, dass eine Krebserkrankung eines nahen Angehörigen das familiäre Krebsrisiko künstlich steigert,“ erläutert Kari Hemminki. „Dieser Effekt sollte bei der medizinischen Beratung zu familiären Krebsrisiken unbedingt berücksichtigt werden, um die Ratsuchenden nicht unnötig zu verunsichern“.

Justo Lorenzo Bermejo, Kari Hemminki: Familial Risk of Cancer Shortly After Diagnosis of the First Familial Tumor. Journal of the National Cancer Institute, 97(21):1-5, 2005

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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