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Entscheidung über Leben und Tod

Bei übermäßigen Strapazen gibt die Steuerzentrale der Zelle den Befehl zum Selbstmord

Nr. 32 | 01.07.2005 | von (And)

Kernkörperchen, die Nukleoli, übernehmen die Funktion von Stress-Sensoren und geben bei zu hoher Belastung den Startschuss für das zelluläre Selbstmordprogramm (Apoptose). Zu diesem Ergebnis kommen Molekularbiologen des Deutschen Krebsforschungszentrums. Wie die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Molecular Cell“* schreiben, wird bei Stress das Apoptoseprotein p53 aktiviert. Es stößt eine Signalkaskade an, die zum Absterben der Zelle führt.

Gesundheit und Wachstum einer Zelle hängen maßgeblich von funktionierenden Ribosomen, den Proteinfabriken, ab. Ein essentieller Bestandteil der Ribosomen, die ribosomale Ribonukleinsäure (rRNS), wird jedoch nur gebildet, wenn der Transkriptionsfaktor TIF-IA in den Nucleoli die RNS-Polymerase I dazu stimuliert, an die Gene für die ribosomale RNS anzudocken und eine Abschrift davon zu produzieren. Fehlt TIF-IA oder ist das Protein inaktiviert, kommt es zu gravierenden Veränderungen in den Nukleoli; die Zelle hört auf, sich zu teilen, und das Selbstmordprogramm läuft an.

Professor Dr. Ingrid Grummt, Leiterin der Abteilung Molekularbiologie der Zelle II, und ihrer Mitarbeiterin Dr. Xuejun Yuan gelang es in Zusammenarbeit mit Kollegen aus dem Krebsforschungszentrum, genetisch veränderte Mäuse herzustellen, die kein TIF-IA bilden können (so genannte Knock-out-Mäuse). Sie stellten fest, dass diese Tiere nicht lebensfähig sind; bereits nach neuneinhalb Tagen starben die Embryonen ab. Die ungeborenen Tiere waren deutlich kleiner und weniger weit entwickelt als ihre normalen Artgenossen.

Kulturen embryonaler Mäusezellen, bei denen TIF-IA eliminiert oder blockiert wurde, zeigten folgendes Bild: Die Nukleoli waren zerfallen, die Zellteilung kam zum Stillstand. Die Menge an aktivem p53 war deutlich erhöht, und die Zellen wiesen alle Anzeichen des programmierten Zelltods auf. Weiterhin fanden die Wissenschaftler heraus, dass beim Zerfall der Ribosomen ribosomale Proteine freigesetzt werden. Einige davon, darunter das Protein L11, besitzen die Fähigkeit, an das Protein MDM2 zu binden. Geschieht dies, wird gleichzeitig p53 aus seiner „Umklammerung“ durch MDM2 befreit, und es kann das Signal für die Apoptose weitergeben.

Diese grundlegenden Forschungsarbeiten zeigen, dass sich die Funktion der Nukleoli nicht nur auf die Herstellung von Ribosomen beschränkt, sondern dass diese auch eine wichtige Rolle spielen bei der Kontrolle von Zellerhalt und Zellwachstum. Die Erkenntnisse tragen somit möglicherweise auch zum besseren Verständnis von Krebskrankheiten bei, denn eine Überproduktion von rRNS scheint ein erster Schritt in der Tumorentstehung zu sein.

*Xuejun Yuan, Yonggang Zhou, Emilio Casanova, Minqiang Chai, Eva Kiss, Hermann-Josef Gröne, Günter Schütz, and Ingrid Grummt: “Genetic Inactivation of the Transcription Factor TIF-IA Leads to Nucleolar Disruption, Cell Cycle Arrest, and p53-Mediated Apoptosis", Molecular Cell, Vol. 19, 77–87, July 1, 2005, doi 10.1016/j.molcel.2005.05.023

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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