Den Tumor „im Auge behalten“:
Im Deutschen Krebsforschungszentrum wurden erstmals Patienten mit der bildgesteuerten „Adaptiven Strahlentherapie“ behandelt
Die Strahlen immer präziser auf den Tumor zu lenken und dabei umgebendes, gesundes Gewebe zuverlässig vor Strahlenschäden zu schonen, ist und bleibt das oberste Ziel der Strahlentherapeuten. Mit einem neuartigen Verfahren, das Bestrahlung unter gleichzeitiger Röntgenkontrolle erlaubt, sind Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum diesem Ziel wieder einen Schritt näher gekommen.
Für die „Adaptive Strahlentherapie“ wurde im Krebsforschungszentrum ein Geräte-Prototyp entwickelt, der Linearbeschleuniger (Bestrahlungsgerät) und Röntgen-Computer-Tomograph miteinander vereint. Vor Beginn der Behandlung wird anhand einer Röntgenaufnahme kontrolliert, ob sich der Tumor exakt an der in der Bestrahlungsplanung vorberechneten Stelle befindet. Gegebenenfalls kann die Patientenliege nachjustiert – „adaptiert“ – werden, um zu vermeiden, dass durch die Abweichung gesundes Gewebe in das Strahlenfeld gerät.
Die ersten sechs Patienten konnten mithilfe des neuen Geräts inzwischen schon perfekt positioniert werden. Die Ärzte haben mit der bildgestützten „Adaptiven Strahlentherapie“ aber noch weitaus mehr vor. Sie stehen oft vor dem Problem, dass sich Tumoren im Verlauf einer Strahlenbehandlung durch nicht willentlich steuerbare Bewegungen wie Atmung oder Darmmotorik im Körper verschieben. Das neue Verfahren soll in Zukunft ermöglichen, unter Röntgenkontrolle den Tumor „im Auge zu behalten“ und den Behandlungsstrahl immer nur dann zu aktivieren, wenn sich der Tumor an der vorausberechneten Position befindet.
So zeichnen die Ärzte bei Lungenkrebspatienten mit einem Sensorgürtel Atemfrequenz und -bewegung auf und stellen gleichzeitig per Röntgenbild fest, bei welcher Hebung des Brustkorbs sich der Tumor tatsächlich an der berechneten Stelle befindet. Anhand dieser Aufzeichnung wird die Strahlung anschließend mit der Bewegung synchronisiert und immer nur im geeigneten Moment ausgelöst.
„Ein weiterer großer Vorteil des Verfahrens ist“, erklärt Privatdozent Dr. Dr. Peter Huber, der verantwortliche Strahlentherapeut, „dass es unseren Patienten in Zukunft die starre und enge Fixierung mit Kopfmasken und Körperkorsetts ersparen kann. Wenn wir im Verlauf einer Bestrahlung den Tumor ständig mitverfolgen und den Patienten nachjustieren können, ist eine solche Präzision bei der Patientenlagerung nicht mehr erforderlich.“
Verantwortlich für die Entwicklung des Geräts und der dazugehörigen Software zeichnen Professor Dr. Uwe Oelfke und Professor Dr. Wolfgang Schlegel aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum. Um mit einem einzigen Schwenk der Röntgenröhre rund um den Patienten ein möglichst großes Körperareal zu erfassen und damit eine dreidimensionale Ansicht des Tumors zu erzeugen, setzen die Physiker eine Technik ein, bei der der Röntgenstrahl breit aufgefächert („cone beam“-Computertomographie) und von einem gegenüberliegenden Flächendetektor erfasst wird. Durch die 180-Grad-Anordnung von Röntgenröhre und Bestrahlungsgerät ist gewährleistet, dass auch minimale Positionsabweichungen erfasst werden.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum hat auf dem Gebiet der „Adaptiven Strahlentherapie“ mit der Firma Siemens eine weitere Kooperations- und Lizenzvereinbarung abgeschlossen. Für die Verwertung dieser Technologie wurden die Patente des Krebsforschungszentrums exklusiv an Siemens lizenziert. Die Firma beabsichtigt, das Gerät unter dem Produktnamen „Artiste“ ab 2006 weltweit zu vertreiben.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.