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Zellbiologische Studien per Computer

Oder: Wie misst man das Entwicklungsniveau eines Lebewesens?

Nr. 07 | 03.02.2005 | von (And)

Wachstum und Spezialisierung von embryonalen Zellen verlaufen weitaus einfacher als bisher angenommen. Die Vielfalt und Komplexität der heranreifenden Zelltypen liegen deutlich unter dem per Computer berechneten Maß. Diese Erkenntnisse veröffentlichte eine internationale Forschergruppe aus den USA, Deutschland, England und Belgien kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“*. Die gesamte Software für das Projekt entwickelten Wissenschaftler aus dem Team von Professor Hans-Peter Meinzer im Deutschen Krebsforschungszentrum.

Spätestens seit der Feststellung, dass der Mensch mit rund 25000 Genen ein Erbgut besitzt, das nicht viel größer ist als das des Fadenwurms C. elegans, ist klar, dass nicht die Zahl der Gene das stammesgeschichtliche Entwicklungsniveau eines Lebewesens bestimmen kann. Auch die Zahl der Zelltypen oder der Artenreichtum erlauben keine präzise Aussage. Um die Komplexität eines Lebewesens messbar zu machen, haben Bioinformatiker des Deutschen Krebsforschungszentrums ein mathematisches Modell entwickelt. Es spiegelt das Muster der Zellteilungen wider und berücksichtigt dabei den Differenzierungsgrad der Zellen. Die Wissenschaftler reduzierten in dem Modell die absolute Zahl der Zellteilungsvorgänge auf die Zahl der dabei neu entstehenden Zelltypen. Anschließend fütterten sie den Computer mit diesen Daten und ließen ihn daraus berechnen, wie viele Zelltypen über eine bestimmte Anzahl von Generationen hinweg per Zufall entstehen könnten. Die Komplexität einer Zelllinie leiteten die Forscher aus der Zahl der neuen Zelltypen im Verhältnis zur absoluten Zahl der Zellteilungen ab. Je größer der Quotient ist, umso höher ist die Entwicklungsstufe des jeweiligen Organismus.

Das mathematische Modell ermöglichte den Forschern, das Entwicklungsniveau des Fadenwurms C. elegans mit dem von drei weiteren Organismen zu vergleichen. Überraschend war das Ergebnis der Computersimulation im Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung der Zelllinien. Es zeigte sich, dass die Natur offenbar einen einfacheren Weg geht, als dies durch den Algorithmus vorhergesagt wurde. Durch weitere Berechnungen kamen die Wissenschaftler jedoch zu dem Schluss, dass der Entwicklungsprozess nicht die simpelste Variante schlechthin ist. Die Forscher nehmen an, dass das relativ niedrige Entwicklungsniveau der Zelllinien in der Natur darauf beruht, dass es einen Selektionsvorteil in der Evolution bietet: Die einfachere Variante hat eine verkürzte Entwicklungszeit und kommt mit weniger genetischem Material aus.

*Ricardo B. R. Azevedo et al.: “The simplicity of metazoan cell lineages”, Nature, Vol. 433, 13 January 2005, 152-156.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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