Harald zur Hausen:
Wissenschaftler, Wissenschaftsorganisator, Wissenschaftspolitiker
Am 11. März 2003 verabschiedet das Deutsche Krebsforschungszentrum seinen langjährigen Wissenschaftlichen Stiftungsvorstand Professor Dr. med. Dr. h.c. mult. Harald zur Hausen. Seit 1983 hat der Virologe zur Hausen die wissenschaftliche und strukturelle Ausrichtung des Krebsforschungszentrums entscheidend geprägt. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Zentrum zu einem der weltweit führenden Krebsforschungsinstitute. Zur Hausens Forschung auf dem Gebiet der Krebsentstehung durch Viren hat ihn zu einem Wegbereiter neuer Ansätze der Vorbeugung und Behandlung von Krebserkrankungen gemacht.
Harald zur Hausen,1936 in Gelsenkirchen geboren, studierte in Bonn, Hamburg und Düsseldorf Medizin. Im Anschluss daran forschte er für drei Jahre als Nachwuchswissenschaftler an der Universität Düsseldorf, darauf folgte ein dreijähriger USA-Aufenthalt an der Universität Pennsylvania in Philadelphia. Nach einer Zwischenstation in Würzburg übernahm zur Hausen 1972 den Lehrstuhl für Virologie der Universität Nürnberg-Erlangen, 1977 den Lehrstuhl für Virologie der Universität Freiburg. 1983 wurde Harald zur Hausen zum Vorsitzenden und Wissenschaftlichen Mitglied des Stiftungsvorstands des Deutschen Krebsforschungszentrums berufen.
Zur Hausens wissenschaftliches Interesse galt von Anfang an der Rolle von Viren bei der Entstehung von Tumoren des Menschen. So untersuchte er in Philadelphia und Würzburg unter anderem den Zusammenhang zwischen der Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus und der Entstehung des Burkitt-Lymphoms und des Nasopharynxkarzinoms – beide sind die ersten Krebserkrankungen, die mit Viren in Verbindung gebracht wurden.
Ab den siebziger Jahren konzentrierte sich zur Hausen ganz auf die humanen Papillomviren (HPV), bekannt als Erreger von Hautwarzen. Bereits 1976 publizierte er die Hypothese, dass Warzenviren eine Rolle bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs spielen. Aus dem Verdacht wurde bald experimentell untermauerte wissenschaftliche Gewissheit: Anfang der achtziger Jahre gelang es zur Hausen und seinen Mitarbeitern, aus Tumormaterial die bis dahin unbekannten Virustypen HPV 16 und HPV 18 zu isolieren – sie gelten heute als die beiden wichtigsten Hochrisikotypen bei der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs. In der Folge konnten zur Hausen und sein Team einige der Mechanismen aufklären, mit denen das Virus die bösartige Entartung infizierter Zellen einleitet. Die Entdeckung des Auslösers der bei Frauen dritthäufigsten Krebserkrankung eröffnete völlig neue Perspektiven der Vorbeugung und Behandlung: Weltweit wird an Konzepten zur Impfung gegen Papillomviren gearbeitet. Die kürzlich von US-Wissenschaftlern publizierten ersten Erfolgsmeldungen über die klinische Prüfung eines Impfstoff-Prototyps gegen Hochrisiko-HPV unterstreichen Harald zur Hausens Bedeutung als Forscher, Arzt und als Wegbereiter eines revolutionären Ansatzes in der Krebsmedizin.
Für sein wissenschaftliches Werk wurde Harald zur Hausen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter mit dem Robert Koch-Preis, dem Charles S. Mott-Preis der General-Motors Krebsforschungs-Stiftung, dem Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis, dem Ernst Jung-Preis für Medizin sowie dem Charles-Rudolphe Brupbacher-Preis. Außerdem wurde ihm die Ehrendoktor-Würde der Universitäten Chicago (USA), Umeå (Schweden), Prag (Tschechien), Salford (England) und Helsinki (Finnland) verliehen.
Harald zur Hausens Mitgliedschaft und Ehrenmitgliedschaft in zahlreichen Akademien dokumentieren sein wissenschaftliches Engagement und sein Ansehen in der wissenschaftlichen Gemeinschaft. So ist er Mitglied der amerikanischen Academy of Science und wurde erst kürzlich in das Präsidium der Akademie der Naturforscher Leopoldina gewählt. Zur Hausen ist Autor und Koautor von derzeit über 250 wissenschaftlichen Publikationen.
Als Wissenschaftlicher Stiftungsvorstand des Krebsforschungszentrums durchbrach zur Hausen die straffe Gliederung in selbständige Institute zugunsten einer Organisation auf der Ebene von Abteilungen, die befristeten Forschungsschwerpunkten zugeordnet sind. Dabei verlagerte er die wissenschaftliche Ausrichtung des Zentrums von der Forschung am Mausmodell stärker auf menschliche Zellen.
Für Transparenz in der Forschung sorgte zur Hausen mit der Einführung eines Systems der wissenschaftlichen Selbstkontrolle und internationalen Begutachtung im Deutschen Krebsforschungszentrum. Interne Beurteilungen der wissenschaftlichen Abteilungen fördern Kommunikation und wissenschaftlichen Austausch. Alle fünf Jahre wird jeder Forschungsschwerpunkt zudem durch auswärtige Experten begutachtet. Die Ergebnisse schlagen sich in einer leistungsorientierten Verteilung der Ressourcen nieder.
Unter zur Hausens Führung institutionalisierte das Krebsforschungszentrum, das über keine klinische Bettenabteilungen verfügt, seine Zusammenarbeit mit einzelnen Universitätskliniken: Die Etablierung der Klinischen Kooperationseinheiten – heute existieren bereits fünf davon – sicherte eine bessere Verzahnung von Grundlagenforschung und klinischer Medizin, um Forschungsergebnisse so schnell wie möglich in die Praxis zu übertragen. Mit seinen zahllosen innovativen Vorschlägen zur Verbesserung der Forschungsförderung und -struktur, wie z. B. der Einführung des AIDS-Stipendienprogramms, gestaltete zur Hausen maßgeblich die biomedizinische Forschung in Deutschland. Harald zur Hausens Weitsicht und Engagement ist es zu verdanken, dass sich das Deutsche Krebsforschungszentrum während der letzten 20 Jahre zu einer weltweit führenden Forschungsinstitution entwickeln und diese Stellung weiter ausbauen konnte.
Eine Pressemappe zur Verabschiedung von Harald zur Hausen kann in der Pressestelle angefordert werden.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
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