Strategien der amerikanischen Tabakindustrie zur Beeinflussung der europäischen Union in der Gesetzgebung zur Tabakwerbung
Ergebnisse zu Vorgängen in Deutschland zwischen 1987 und 1994
Der Einfluss der amerikanischen Tabakindustrie auf politische Entscheidungsträger in Europa und speziell auch in Deutschland wird in der neuesten Ausgabe des angesehenen Wissenschaftsjournals "Lancet" (Volume 359, 30. April 2002, S. 1323-1330) dokumentiert. Die Wissenschaftler Mark Neumann, Araf Bitton und Stanton Glantz vom Center for Tobacco Control Research and Education, School of Medicine, University of California, San Francisco, recherchierten in internen, vormals vertraulichen Industriedokumenten, die durch Beschluss amerikanischer Gerichte 1998 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden mussten. Am Beispiel der langjährigen Verhandlungen um ein europäisches Tabak-Werbeverbot machen sie deutlich, daß führende Tabakkonzerne wie Philip Morris schon frühzeitig versucht haben, die deutsche Regierung als Bündnispartner zu gewinnen, um ein europäisches Tabak-Werbeverbot zu verhindern. Die Unterlagen, die die Autoren ausgewertet haben, weisen intensive Versuche der Beeinflussung der deutschen Repräsentanten insbesondere bei der Europäischen Union aus, z.B. durch die Erarbeitung von Stellungnahmen, von denen man hoffte, daß die deutsche Regierung sie sich zu eigen machen würde.
Gegen den Widerstand Deutschlands verabschiedete die EU im Jahr 1998 ein umfassendes europäisches Tabak-Werbeverbot, gegen das Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof klagte mit der Begründung, daß die Rechtsgrundlagen im EU-Vertrag von Amsterdam für ein europäisches Verbot dieser Art nicht gegeben seien. Dieser Klage wurde im Jahr 2000 stattgegeben. Inzwischen wird eine neue EU-Richtlinie für ein europäisches Tabak-Werbeverbot verhandelt.
Die Autoren des Lancet-Artikels verfügen nicht über Unterlagen, mit denen ein Gelingen der Lobbytätigkeit der Tabakindustrie und ihrer Verbände nachgewiesen wird. Es wird jedoch deutlich, mit welchem starken argumentativen und wirtschaftspolitischen Potential versucht worden ist, Einfluss auf die europäische bzw. in diesem Fall insbesondere die deutsche Politik zu gewinnen.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum nimmt dies deshalb zum Anlass, Abgeordnete und Regierung nachdrücklich auf die notwendige Begrenzung des Einflusses der Tabakkonzerne aufmerksam zu machen und eine Orientierung der Tabakpolitik im Sinne des Schutzes der Bürger vor nachgewiesenen Gesundheitsgefahren zu fordern.
In einer Publikation "Factsheet Tabakwerbeverbot" hat das Deutsche Krebsforschungszentrum die Argumente, die eine Vereinbarkeit eines umfassenden Tabak-Werbeverbots mit dem Grundgesetz zum Gegenstand haben, erarbeitet. Danach ist Wirtschaftswerbung zwar durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt, Einschränkungen und Verbote sind jedoch mit dem Grundrecht vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
Die Publikation sowie der Lancet-Artikel können bei der Presseabteilung des Deutschen Krebsforschungszentrums angefordert werden.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
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