Das Gen, das auf den Namen Dickkopf hört
Forschungspreis des Landes Baden-Württemberg an Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums vergeben
Der Entwicklungsbiologe Professor Dr. Christof Niehrs aus dem Krebsforschungszentrum wurde jetzt in Stuttgart mit dem Forschungspreis 2001 des Landes Baden-Württemberg in der Kategorie Grundlagenforschung ausgezeichnet. Damit wurde die Entdeckung des Dickkopf-Gens gewürdigt, die der Wissenschaft neue Einblicke in entwicklungsbiologische Mechanismen eröffnet. Er teilt sich den Preis mit der Freiburger Literaturwissenschaftlerin Professor Monika Fludernik, die für einen neuen methodischen Ansatz ihres Forschungsschwerpunktes Erzähltheorie geehrt wurde.
Der Preis ist mit 100 000 Euro dotiert und geht zu gleichen Teilen an die beiden Preisträger. Das baden-württembergische Wissenschaftsministerium vergibt den Preis einmal im Jahr für exzellente Forschungsarbeiten. Die bisherigen Preisträger kamen aus den unterschiedlichsten Bereichen, von der Biologie bis zur Finanzwirtschaft.
Im Deutschen Krebsforschungszentrum leitet Niehrs seit dem Jahr 1994 die Abteilung Molekulare Embryologie. Sein Hauptforschungsgebiet ist die Molekulare Entwicklungsbiologie bei Amphibien und dabei speziell die Identifizierung und Charakterisierung von Entwicklungskontrollgenen, die die Ausbildung des Wirbeltierbauplans regulieren.
Er und sein Team suchen Antworten auf die Frage, wie aus einer befruchteten Eizelle ein ausgewachsener Organismus entstehen kann. Genauer gesagt suchen die Forscher nach Genen, die diese Entwicklungsprozesse steuern. Die Untersuchungsobjekte sind befruchtete Eizellen des südafrikanischen Krallenfrosches, da sich dessen Embryonen innerhalb von 48 Stunden zu gut ausgebildeten Kaulquappen entwickeln.
Die Forscher entwickelten eine neue Methode, mit der sich nachweisen lässt, welche Gene einer Zelle zu welchem Zeitpunkt aktiv sind. Grundlage ist eine spezielle Färbetechnik, mit dem in einer Gendatenbank aktive und inaktive Gene unterschieden werden können. Dabei stießen die Wissenschaftler auf ein Gen, das für die Entwicklung des Kopfes verantwortlich ist. Da der neu entdeckte Erbfaktor, wenn man ihn in Froschembryonen in unnatürlich großer Menge aktiviert, zur Bildung von Tieren mit vergrößertem Kopf führt, haben ihn die Entwicklungsbiologen auf den Namen Dickkopf-Gen getauft. Beim Menschen lässt sich dieses Gen ebenfalls nachweisen, was die Vermutung nahe legt, dass es im menschlichen Entwicklungsplan eine Rolle analog zu der bei Fröschen spielt.
Die Bedeutung des Dickkopf-Gens für die Krebsforschung resultiert daraus, dass es zur Gruppe der Entwicklungskontrollgene gehört, die den Ablauf des Zelllwachstums und der Zelldifferenzierung steuern und regulieren. Diese Gengruppe spielt nicht nur beim Embryo, sondern auch im Erwachsenenstadium eine Rolle. Es ist bekannt, dass bei Krebs und anderen Krankheiten Entwicklungskontrollgene fehlgesteuert sind. Derzeit untersuchen Niehrs und seine Kollegen den genauen Wirkmechanismus des Dickkopf-Gens. "Doch von einer wirklichen Anwendung für Krebspatienten sind wir noch sehr weit weg. Wir wollen hier keine falschen Erwartungen schüren", betont der Grundlagenforscher Niehrs.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
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