Internationale Genomforschung führt auf die Spur des Autismus
Heidelberger Molekulargenetiker suchen Erbgutabschnitte, die an der Erkrankung beteiligt sind
Steht Autismus in Zusammenhang mit Veränderungen von Erbanlagen, die Verhaltensweisen und psychologische Prozesse beeinflussen? Diese Frage untersuchte Dr. Sabine Klauck von der Abteilung Molekulare Genomanalyse (Leiterin: Professor Annemarie Poustka) des Deutschen Krebsforschungszentrums, in Zusammenarbeit mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Universität Frankfurt am Main. Autismus ist eine Krankheit, die auf Entwicklungsstörungen des Gehirns beruht und mit einer Häufigkeit von 1 zu 2500, zumeist in den ersten drei Lebensjahren auftritt. Typisch für das Krankheitsbild sind stark eingeschränkte Sozialkontakte, verzögerte Sprachentwicklung und eine eingeschränkte Anzahl von sich wiederholenden Verhaltensweisen. Aus biochemischen und pharmakologischen Untersuchungen ist bekannt, dass bestimmte Botenstoffe, die für die Signalübertragung in Nervenzellen wichtig sind, häufig in Zusammenhang mit Autismus stehen. Dazu gehört auch das Signalmolekül Serotonin, das unter anderem Wahrnehmung und Stimmung beeinflusst. Sabine Klauck und ihre Mitarbeiter haben gezielt das Gen untersucht, das die Information für das Serotonin-Transporterprotein trägt. Sie stellten fest, dass der entsprechende Erbgutabschnitt in zwei funktionell unterschiedlichen Formen vorkommt; eine dieser Varianten tritt gehäuft im Zusammenhang mit Autismus auf.
Sabine Klauck prüft zudem, welche Gemeinsamkeiten im Erbgut von erkrankten Geschwistern und ihren Eltern bestehen. Anhand der gewonnenen Daten erhofft sich die Wissenschaftlerin Aufschlüsse über die genetischen Ursachen des Autismus. Die Untersuchungen sind Teil des europäisch-amerikanischen Autismus-Projekts IMGSAC (International Molecular Genetic Study of Autism Consortium), in dem sieben Länder mit Unterstützung der Europäischen Union zusammenarbeiten. Die Molekulargenetiker dieses Projekts fanden sechs weitere Abschnitte im Erbgut, die in hohem Maße mit der Krankheit in Beziehung zu stehen scheinen. Klauck und ihre Mitarbeiter sowie die beteiligten Partner arbeiten mit verstärktem Interesse an der Entschlüsselung der beiden wichtigsten Regionen, um so weitere Zusammenhänge zwischen der Erkrankung und den Erbanlagen aufzudecken. Eine genaue Analyse der Gene und die Kenntnis der dazugehörigen Produkte bildet möglicherweise die Basis für die Entwicklung von Medikamenten gegen Autismus.
Im Rahmen einer Pressekonferenz anlässlich des 22. Kongresses des Internationalen Kollegiums für Neuropsychopharmakologie (CINP) am 10. Juli 2000 in Brüssel wird Dr. Anthony Bailey, Koordinator des IMGSAC-Projekts, einen Einblick in die Ergebnisse und Ziele der Forschungsarbeit geben. Weitere Informationen zum Kongress sind unter www.cinp2000.com erhältlich.
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