Kontrollverlust bei Leukämien
Klinische und molekularbiologische Arbeitsgruppen entdecken gemeinsam Genveränderung bei Leukämie
Mutationen des Gens ATM, die zu der schweren Erbkrankheit Ataxia teleangiektatica (AT) führen, lassen sich auch in Tumorzellen von Patienten nachweisen, die nicht von dieser Krankheit betroffen sind. Die Arbeitsgruppen von Privatdozent Dr. Peter Lichter, Leiter der Abteilung Organisation komplexer Genome im Deutschen Krebsforschungszentrum, und Privatdozent Dr. Hartmut Döhner, Oberarzt der Medizinischen Klinik und Poliklinik Heidelberg, berichten in ihrer neuesten Veröffentlichung* von dieser Entdeckung.
Im Verlauf von AT gehen fortschreitende Störungen des Zentralnervensystems und verschiedene Defekte des Immunsystems oft mit der Entwicklung bösartiger Tumoren einher. Ausgelöst werden diese Symptome durch Veränderungen des Gens ATM. Trotz intensiver Suche konnte dieser Gendefekt bisher nicht bei Tumorpatienten gefunden werden, die nicht an AT leiden.
Die Heidelberger Wissenschaftler wiesen die ATM-Mutationen nun auch bei einem spezifischen Typ von T-Zell-Leukämien nach. Sie vermuten, daß das ATM-Protein in gesunden Zellen als Tumorsuppressor wirkt. Darunter versteht man ein Eiweißmolekül, das unkontrolliertes Wachtum von Zellen unterdrückt. Sind sowohl die väterliche als auch die mütterliche Kopie des ATM-Gens zerstört, so verliert die Zelle wichtige Kontroll- und Reparaturfunktionen. Die Erforschung von Tumorsuppressor-Genen wie dem ATM ermöglicht den Wissenschaftlern daher wichtige Einblicke in die Mechanismen, die zur Entartung von Zellen und zu Tumorwachstum führen.
*Stephan Stilgenbauer, Claudia Schaffner, Annette Litterst, Peter Liebisch, Shlomit Gilad, Anat Bar-Shira, Michael R. James, Peter Lichter & Hartmut Döhner. Biallelic mutations in the ATM gene in T-prolymphocytic leukemia. Nature medicine Vol. 3 Number 10 October 1997
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