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Neuroblastom: Telomer-Verlängerung entscheidend für Krankheitsverlauf

Nr. 65c2 | 07.12.2018

Zu den häufigsten Krebsarten im Kindesalter gehört das Neuroblastom, ein Tumor des peripheren Nervensystems. Teils bildet sich dieser Tumor ohne jegliche Therapie komplett zurück, bei anderen Patienten jedoch schreitet er trotz hochintensiver Therapie unaufhaltsam voran. In einer aktuellen Studie untersuchten Wissenschaftler der von der Universitätsklinik Köln zusammen mit Forschern des Hopp Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ) und Kollegen der Charité Berlin im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts die genetischen Ursachen der unterschiedlichen Verlaufsformen dieses Tumors. Ihre Ergebnisse publizierten die Forscher nun im Wissenschaftsjournal Science.
Das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Heidelberg.

Beim Neuroblastom entscheiden die Enden der Chromosomen – Telomere genannt – über den Krankheitsverlauf.
© Fotolia

Durch die Entschlüsselung der Erbinformation der Krebszellen entdeckten die Wissenschaftler Veränderungen in Genen des RAS- und des p53-Krebssignalwegs in etwa 18 Prozent der Fälle. Das Vorliegen solcher Veränderungen war insgesamt mit einem ungünstigen Krankheitsverlauf verbunden, jedoch bildeten sich bei einigen Patienten mit derartigen Mutationen die Tumoren auch spontan zurück.

Durch die Integration der genetischen Daten mit Informationen über Verlängerungsmechanismen der Chromosomen-Enden, der sogenannten Telomere, konnten die Wissenschaftler ein klares Bild über die Mechanismen der verschiedenen Verlaufsformen des Neuroblastoms gewinnen.

Telomere werden auch als die „molekulare Uhr" der Zelle bezeichnet: In den meisten Körperzellen werden die Chromosomenenden bei jeder Zellteilung verkürzt. Wird eine kritische Länge unterschritten, führt der Telomer-Schwund zum Wachstumsstopp oder zum Zelltod. In Stammzellen und den meisten Krebszellen dagegen wird die Länge der Chromosomenenden durch Telomer-Verlängerungsmechanismen oberhalb der kritischen Schwelle erhalten, so dass die Zellen quasi „unsterblich" sind.

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Neuroblastome nur dann aggressiv wachsen, wenn Telomer-Verlängerungsmechanismen vorliegen. Sind darüber hinaus noch zusätzliche Mutationen in Krebssignalwegen vorhanden, so ist der Krankheitsverlauf besonders ungünstig, und die meisten der betroffenen Kinder können mit heutigen Behandlungs-Schemata nicht geheilt werden. Fehlen jedoch Telomer-Verlängerungsmechanismen, kommt es regelmäßig zu spontanen Rückbildungen des Tumors, und die Prognose der Patienten ist zumeist auch ohne jegliche Therapie exzellent. Für den Krankheitsverlauf spielt es in diesen Fällen keine Rolle, ob Veränderungen in Krebssignalwegen vorliegen.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Aktivierung von Telomer-Verlängerungsmechanismen einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung bösartiger Tumoren darstellt. Mit Hilfe der genetischen Informationen ist es beim Neuroblastom nun möglich, den Krankheitsverlauf der Patienten präzise vorherzusagen und die Therapie entsprechend anzupassen. Darüber hinaus liefern die Ergebnisse Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Behandlungs-Strategien für Patienten mit einer besonders ungünstigen Prognose: Die gezielte Hemmung von Krebssignalwegen und Telomer-Verlängerungsmechanismen könnte bei diesen Kindern einen vielversprechenden neuen Therapieansatz darstellen.

Ackermann S, Cartolano M, Hero B, Welte A, Kahlert Y, Roderwieser A, Bartenhagen C, Walter E, Gecht J, Kerschke L, Volland R, Menon R, Heuckmann JM, Gartlgruber M, Hartlieb S, Henrich KO, Okonechnikov K, Altmüller J, Nürnberg P, Lefever S, de Wilde B, Sand F, Ikram F, Rosswog C, Fischer J, Theissen J, Hertwig F, Singhi AD, Simon T, Vogel W, Perner S, Krug B, Schmidt M, Rahmann S, Achter V, Lang U, Vokuhl C, Ortmann M, Büttner R, Eggert A, Speleman F, O'Sullivan RJ, Thomas RK, Berthold FB, Vandesompele J, Schramm A, Westermann F, Schulte JH, Peifer M, Fischer M
A mechanistic classification of clinical phenotypes in neuroblastoma. Science 2018; DOI: 10.1126/science.aat6768

 

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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