Einzelzelluntersuchungen decken unerwartete Unterschiede von Darmkrebszellen auf
Krebs entsteht oft durch Veränderungen in Genen, die für die Kommunikation und die Informationsverarbeitung in Zellen wichtig sind. Viele moderne Therapien setzen daher darauf, in diese veränderten Informationskanäle der Zellen einzugreifen. Wissenschaftlern vom Deutschen Krebskonsortium DKTK an der Charité – Universitätsmedizin Berlin ist es nun gelungen, auf Einzelzellebene Auswirkungen charakteristischer Genmutationen zu beschreiben. Dieser experimentelle Ansatz könnte der Behandlung von Darmkrebs neue Wege eröffnen.
Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland.
Beim Darmkrebs sind zwei Gene besonders häufig mutiert, die als KRAS und BRAF bezeichnet werden. Die genetischen Veränderungen in KRAS oder BRAF aktivieren in beiden Fällen denselben Signalweg. Als Reaktion auf diese Signale beginnen die Zellen, sich unkontrolliert zu teilen.
Bislang gingen die Mediziner davon aus, dass die Veränderungen in diesen beiden Genen zu ähnlichen Wachstumssignalen in allen Krebszellen führen. Diese Annahme scheint jedoch falsch zu sein, wie die Wissenschaftler um Markus Morkel und Nils Blüthgen vom Deutschen Krebskonsortium (DKTK) an der Charité – Universitätsmedizin Berlin nun im Detail untersucht haben.
„Wir waren überrascht, dass Mutationen im KRAS-Gen beim Darmkrebs nur in einem Teil der Krebszellen eine Zellantwort auslösten, in anderen jedoch nicht. Der Unterschied scheint in der Zelldifferenzierung zu liegen, das heißt, im Bestreben der Krebszelle, zu einem bestimmten Zelltyp auszureifen. Das mutierte BRAF-Gen hingegen aktivierte die Wachstumssignale in allen Zellzuständen", fasst Morkel die wesentliche Entdeckung der Studie zusammen. Der KRAS- Signalweg spielt eine wichtige Rolle für die Zellteilung und ist daher ein zentraler Ansatzpunkt für die zielgerichtete Therapie von Darmkrebs.
Für Tumoren mit verändertem KRAS – dies betrifft fast die Hälfte aller Darmkrebsfälle in Deutschland – gibt es bisher noch keine gezielte Therapieoption. Die neuen Studienergebnisse sind daher sehr wichtig, um langfristig die Behandlung von Darmkrebs zu optimieren. Da beim Darmkrebs mit mutiertem KRAS jeweils nur ein Teil der Zellen veränderte Wachstumssignale weiterleitet, bleibt der Tumor insgesamt sehr heterogen. Das macht ihn für Therapien sehr schwer zugänglich.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Therapien zukünftig kombiniert werden müssen, um die Darmkrebszellen zunächst zu synchronisieren, also in einen einheitlichen Zustand zu bringen. Neben der grundlagenwissenschaftlichen Bedeutung könnte diese Entdeckung auch klinisch relevant sein, da unsere Untersuchungen helfen können, zukünftige zielgerichtete Kombinationstherapien zu entwickeln", ordnet Blüthgen die Bedeutung der Studiendaten ein.
Möglich machte diese Ergebnisse die Einzelzellanalyse. Mit deren Hilfe sind Wissenschaftler heute in der Lage, Unterschiede zwischen Tausenden einzelner Zellen eines Gewebes, wie z. B. des Darmgewebes, gezielt zu erforschen. Darüber hinaus nutzten Morkel und Kollegen die sogenannte Organoid-Technologie. Das Besondere daran: Aus Operationsmaterial gewonnene Zellen des Krebsgewebes wachsen im Labor zu dreidimensionalen Strukturen heran. Zusätzlich setzten die Forscher Computersimulationen ein, um zu verstehen, an welcher Stelle die Signalverarbeitung von der Zelle selbst blockiert werden kann. Die Krebszelle ist laut der Studienergebnisse in der Lage, die Informationskette für die unkontrollierte Zellteilung an bestimmten Punkten an- oder auszuschalten. Dies erklärt auch die häufige Beobachtung, dass bestimmte Signalwege innerhalb eines Darmtumors eben nicht in allen, sondern lediglich in einem Teil der Krebszellen aktiv sind – und das hat wiederum Auswirkungen auf die Behandelbarkeit der Tumoren.
Raphael Brandt, Thomas Sell, Mareen Lüthen, Florian Uhlitz, Bertram Klinger, Pamela Riemer, Claudia Giesecke-Thiel, Silvia Schulze, Ismail Amr El-Shimy, Desiree Kunkel, Beatrix Fauler5, Thorsten Mielke, Norbert Mages, Bernhard G. Herrmann, Christine Sers, Nils Blüthgen & Markus Morkel: Cell type-dependent differential activation of ERK by oncogenic KRAS in colon cancer and intestinal epithelium.
Nature Communications 2019; https://doi.org/10.1038/s41467-019-10954-y
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Quelle: Markus Morkel / Charité – Universitätsmedizin Berlin
BU: Ein Darm-Organoid wächst in einer dreidimensionalen Matrix und zeigt ein krebsauslösendes Wachstumssignal (ERK) als grüne Fluoreszenz im Zellkern. Die Zellkerne von Kryptenzellen (rechts) zeigen hohe Aktivität, während differenzierte Epithelzellen (links) niedrige Aktivität aufweisen.
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Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) ist eine gemeinsame, langfristige Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der beteiligten Bundesländer und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und wurde als eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZGs) gegründet. Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten und Kliniken in Deutschland. Mit dem DKFZ kooperieren Forschungseinrichtungen und Kliniken an Standorten Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, Heidelberg, München und Tübingen, um optimale Bedingungen für die kliniknahe Krebsforschung zu schaffen. Das Konsortium fördert interdisziplinäre Forschungsthemen an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Klinik, sowie klinische Studien zu innovativen Therapie- und Diagnoseverfahren. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Aufbau von Forschungsplattformen, um den Einsatz personalisierter Krebstherapien zu beschleunigen und die Diagnose und Prävention von Krebserkrankungen zu verbessern.
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