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Gendefekt macht bösartige Muskeltumoren angreifbar

Nr. 01c2 | 10.01.2018 | von Koh

Unter der Federführung von Wissenschaftlern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg konnte ein Forscherteam erstmals das Erbgut bösartiger Tumoren der glatten Muskulatur umfassend analysieren. Bei einem hohen Prozentsatz der Tumoren entdeckten sie eine genetische Schwachstelle der Krebszellen: Hier könnten in Zukunft zielgerichtete Therapien ansetzen.

Leiomyosarkome entstehen aus der glatten Muskulatur
© Polarlys / Wikipedia

Leiomyosarkome, bösartige Tumoren der glatten Muskulatur, können nahezu überall im Körper auftreten. Häufig entstehen sie an der Gebärmutter, im Bauchraum oder an der Muskulatur der Blutgefäße. Selbst die winzigen Muskeln, die uns die Haare zu Berge stehen lassen, können betroffen sein.

Wie die meisten anderen Sarkome sprechen auch die Leiomyosarkome sehr schlecht auf Chemotherapien an. Oft sind Operationen und Bestrahlungen die einzigen wirksamen Behandlungsmöglichkeiten. „Leider treten die Tumoren trotz radikaler Operationen aber häufig erneut auf oder haben sich bereits im Körper ausgebreitet", sagt Stefan Fröhling. Der Onkologe arbeitet am Deutschen Krebsforschungszentrum, am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und am Universitätsklinikum Heidelberg.

Leiomyosarkome sind sehr selten, in Deutschland wird die Diagnose pro Jahr bei 150-200 Patienten gestellt. Daher ist bislang wenig über die molekularen Ursachen bekannt. Gemeinsam mit weiteren Standorten des Deutschen Konsortiums für translationale Krebsforschung (DKTK) sowie mit Partnern in Mannheim und in Rotterdam konnten Fröhling und seine Kollegen nun erstmals die genetischen Ursachen der Leiomyosarkome an Tumorproben von 49 Patienten umfassend analysieren. Die Forscher sequenzierten das Tumorerbgut und analysierten, welche Gene besondere Aktivität aufweisen. „An einem einzelnen Klinikum wäre eine solche Analyse nicht durchführbar gewesen. Eines unserer Ziele war es, spezifische Veränderungen zu finden, über die sich die Krebszellen mit zielgerichteten Medikamenten angreifen lassen", so Fröhling.

Im Erbgut der Leiomyosarkome, so fanden die Forscher, herrscht pures Chaos: Vielfach fehlten große Stücke des Genoms oder waren dagegen vervielfältigt, teilweise lag sogar das gesamte Genom doppelt und dreifach vor. Besonders auffällig war, dass die beiden wichtigsten Krebsbremsen, die Tumorsuppressorgene TP53 und RB1, extrem häufig fehlten. In über 90 Prozent der untersuchten Proben waren sogar jeweils beide ihrer Genkopien zerstört.

Die Analyse offenbarte auch, wie die Tumorzellen ihre Unsterblichkeit erlangen: In über drei Viertel der Fälle hatten die Krebszellen verschiedene Wege gefunden, ihre Telomere zu verlängern. Bei gesunden Zellen begrenzt die Länge dieser Strukturen an den Chromosomenenden die Anzahl der möglichen Teilungen.

Die Wissenschaftler machten auch eine ermutigende Entdeckung: In den meisten Tumoren fanden sie Anhaltspunkte dafür, dass ein wichtiges DNA-Reparatursystem ausgefallen war, die sogenannte homologe Rekombination. Dadurch werden die Krebszellen empfindlich für Substanzen, die die DNA zerstören, wie beispielsweise bestimmte Chemotherapeutika. Eine andere Taktik ist es, bei solchermaßen mutierten Krebszellen mit Wirkstoffen (PARP-Inhibitoren) auch noch das andere wichtige DNA-Reparatursystem lahmzulegen. „Dann sterben die Krebszellen an ihren Erbgutdefekten", erklärt Claudia Scholl vom DKFZ, die gemeinsam mit Fröhling die Untersuchung leitete.

An Leiomyosarkomzellen in der Kulturschale konnten die Forscher diese Theorie bereits bestätigen. „Erste klinische Studien werden überprüfen, ob dieser Ansatz bei Knochensarkomen funktioniert", so Claudia Scholl. „Wir haben einen Ansatzpunkt dafür gefunden, wie wir auch Menschen mit Muskelsarkomen in Zukunft möglicherweise besser helfen können", freut sich die Wissenschaftlerin.

Priya Chudasama, Sadaf S. Mughal, Mathijs A. Sanders, Daniel Hübschmann, Inn Chung, Katharina I. Deeg, Siao-Han Wong, Sophie Rabe, Mario Hlevnjak, Marc Zapatka, Aurélie Ernst, Kortine Kleinheinz, Matthias Schlesner, Lina Sieverling, Barbara Klink, Evelin Schröck, Remco M. Hoogenboezem, Bernd Kasper, Christoph E. Heilig, Gerlinde, Egerer, Stephan Wolf, Christof von Kalle, Roland Eils, Albrecht Stenzinger, Wilko Weichert, Hanno Glimm, Stefan Gröschel, Hans-Georg Kopp, Georg Omlor, Burkhard Lehner, Sebastian Bauer, Simon Schimmack, Alexis Ulrich, Gunhild Mechtersheimer, Karsten Rippe, Benedikt Brors, Barbara Hutter, Marcus Renner, Peter Hohenberger, Claudia Scholl & Stefan Fröhling: Integrative genomic and transcriptomic analysis of leiomyosarcoma
Nature Communications 2018, DOI: 10.1038/s41467-017-02602-0

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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