Das Deutsche Krebsforschungszentrum gratuliert Stefan Hell zum Nobelpreis
Nach dem Nobelpreis für Medizin 2008 an Harald zur Hausen erhält in diesem Jahr zum zweiten Mal ein Forscher am DKFZ die höchste Auszeichnung der Wissenschaft: Professor Stefan Hell, Direktor am Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen und gleichzeitig Abteilungsleiter am DKFZ, wurde für seine „Entwicklung hochauflösender Fluoreszenz-Mikroskopie“ mit dem diesjährigen Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Heute Abend wird der schwedische König im Stockholmer Konzerthaus die Auszeichnungen überreichen.
„Stefan Hell ist ein absoluter Ausnahmewissenschaftler“, erklärt Professor Otmar D. Wiestler, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums. „Es erfüllt uns mit großer Freude und Stolz, mit ihm nach Harald zur Hausen innerhalb weniger Jahre bereits den zweiten Nobelpreisträger am Deutschen Krebsforschungszentrum zu wissen.“ Die höchste wissenschaftliche Auszeichnung ist der Lohn für viele Jahre unermüdlicher Forschung, im Laufe derer Stefan Hell das Auflösungsvermögen der Lichtmikroskopie um das Zehnfache steigerte – also zehnmal kleinere Strukturen darstellen konnte, als man das bisher für möglich gehalten hatte. "Er hat damit eine völlig neue Dimension der Mikroskopie erschlossen", so Wiestler.
„Ich hatte schon während meiner Doktorarbeit den Eindruck, dass das Thema Auflösung in der Lichtmikroskopie noch nicht zu Ende gedacht ist“, erinnert sich Stefan Hell. Damals galt für Lichtmikroskope noch die magische Auflösungsgrenze von 200 Nanometern, die Ernst Abbe bereits im Jahr 1873 in seinem berühmten Gesetz formulierte: Mindestens die Hälfte der Wellenlänge des sichtbaren Lichtes müssten zwei Punkte in der Brennebene des Objektivs auseinander liegen, um voneinander unterscheidbar zu sein. Erst 120 Jahre später, Anfang der 1990er Jahre, gelang es dem Physiker Stefan Hell, diese magische Grenze zu durchbrechen und den Grundstein für die Lichtmikroskopie mit Auflösungen auf der Nanoskala – also die Lichtnanoskopie – zu legen.
Als ersten Schritt erfand Hell 1990 das 4Pi-Mikroskop, bei dem das Licht statt von einer von zwei Seiten gleichzeitig auf das Objekt fällt. Damit konnte er die Auflösung bereits um das Vier- bis Siebenfache steigern. Danach entwickelte er die „Stimulated Emission Depletion“ (STED-)Mikroskopie, ein Verfahren, das die Eigenschaften von Fluoreszenz-Farbstoffen ausnützt, die man ohnehin zum Anfärben von Proteinen oder DNA verwendet. Damit lassen sich biologische Strukturen erkennen, die bis zu 2000-mal feiner sind als ein menschliches Haar (20 bis 50 Nanometer).
„Der Nobelpreis erfüllt mich mit großem Stolz und Dankbarkeit – er ist schließlich die höchste wissenschaftliche Auszeichnung, die ein Forscher erlangen kann“, erklärt Stefan Hell, der Direktor im Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen ist und gleichzeitig im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Abteilung „Optische Nanoskopie“ leitet. „Vor allem ist es für mich aber auch ein tolles Gefühl, zu erleben, dass das STED-Mikroskop die medizinische Grundlagenforschung enorm beflügelt.“ Zwar lassen sich auch mit Elektronen- oder Rastersondenmikroskopen Strukturen im Nanometerbereich erkennen. "Allerdings müssen wir die Präparate für diese Techniken in hauchdünne Scheiben schneiden. Intakte oder sogar lebende Zellen kann man so unmöglich untersuchen. Die STED-Mikroskopie hingegen liefert auch Nanometer-genaue Einblicke in lebende Zellen."
Im Deutschen Krebsforschungszentrum setzen Hell und seine Mitarbeiter besonders leistungsfähige Varianten dieser neuen Verfahren für die biologische und medizinische Grundlagenforschung ein. So untersuchen sie, wie die Rezeptoren auf der Oberfläche von Viren verteilt sind, die für Infektionsprozesse entscheidend sind. Besonders schnelle Aufnahmetechniken können so physiologische Prozesse sichtbar machen, etwa den Transport oder das Freisetzen von Botenstoffen an Nervenenden. Mit der Kombination aus STED- und 4Pi-Mikroskopie erreichen die Forscher zudem eine verbesserte räumliche Auflösung. So lassen sich Informationen über kleinste Details aus dem Inneren einer lebenden Zelle gewinnen – wie zum Beispiel bestimmte Proteine in kleinen Zellorganellen wie den Mitochondrien, den Energiezentralen der Zellen, verteilt sind.
Stefan W. Hell (Jahrgang 1962) promovierte 1990 an der Universität Heidelberg in Physik und arbeitete von 1991 bis 1993 am Europäischen Molekularbiologischen Laboratorium (EMBL) in Heidelberg. Danach folgte ein dreieinhalbjähriger Aufenthalt an den Universitäten Turku (Finnland) und Oxford (Großbritannien). Als Leiter einer Max-Planck-Nachwuchsgruppe wechselte er im Jahr 1997 an das Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Seit 2002 ist er an diesem Institut Direktor und Leiter der Abteilung NanoBiophotonik. Zudem leitet er seit 2003 die Abteilung Optische Nanoskopie am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Stefan Hell erhielt bereits zahlreiche hochrangige Preise, zuletzt erhielt er im September 2014 den Kavli-Preis für Nanowissenschaften, ein Jahr zuvor, im September 2013 die Carus-Medaille der Akademie für Naturwissenschaften Leopoldina. Im Jahr 2011 freute sich der Physiker über den Meyenburg-Preis für Krebsforschung: „Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes, weil es zeigt, dass unsere Forschung eine breitere Anwendung findet – und Krebs betrifft uns leider alle. Insofern wünsche ich mir sehr, und ich freue mich darauf, dass wir in Zukunft viele Einsichten bekommen, die helfen werden, Krebs zu bekämpfen.“
Hell teilt sich den mit insgesamt rund 875.000 Euro dotierten Nobelpreis mit seinen amerikanischen Kollegen Eric Betzig vom Howard Hughes Medical Institute in Ashburn in den USA sowie William E. Moerner von der Stanford University in den USA.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.