Nr. 74

KI-gestützte molekulare Krebsdiagnose bei Hirntumoren

Mehrere stilisierte Gehirnillustrationen sind in einem Raster angeordnet. Jedes Gehirn ist in verschiedenen Farben hervorgehoben, darunter Blau, Rot, Gelb und Grün. Diese Farben können verschiedene Bereiche oder Funktionen des Gehirns symbolisieren, wobei die allgemeine Darstellung abstrahiert ist.
Anhand ihrer Methylierungsprofile lassen sich Hirntumoren präzise diagnostizieren.

Forschende des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) haben einen entscheidenden Schritt zur präziseren Diagnose von Hirntumoren gemacht. Die neueste Version des weltweit genutzten KI-basierten „Heidelberg CNS Tumor Methylation Classifier“ erkennt über 180 Tumorarten, doppelt so viele wie die Vorversion. Diese Weiterentwicklung hilft Ärztinnen und Ärzten, Tumoren des zentralen Nervensystems (ZNS) genauer zu bestimmen – und damit Therapien gezielter und schonender zu planen.

 

Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).

Lange war der Blick durch das Mikroskop allein ausschlaggebend für die Krebsdiagnose und bis vor Kurzem wurden die meisten Hirntumoren hauptsächlich anhand ihrer mikroskopischen Eigenschaften in Tumorgruppen eingeordnet. Mittlerweile sind zusätzliche molekulare Analysen zu einer zentralen Säule der modernen Diagnostik in der Neuroonkologie geworden. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden sie als wünschenswerte oder sogar unverzichtbare Methode für die genaue Klassifikation verschiedener Tumorarten aufgeführt.

Der sogenannte „Methylation Classifier“ ist ein KI-basiertes Verfahren, das winzige chemische Veränderungen auf der Oberfläche des Erbguts auswertet, sogenannte DNA-Methylierungen, um den Ursprung und die Art eines Tumors zu bestimmen. „Diese epigenetischen Spuren sind wie ein molekularer Fingerabdruck und erlauben eine eindeutige Zuordnung von Tumoren des zentralen Nervensystems, von denen es mehr als 100 Unterarten gibt“, sagt Felix Sahm, Professor für Neuropathologie an der Medizinischen Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg, stellvertretender Ärztlicher Direktor der Abteilung Neuropathologie am Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), Wissenschaftler am KiTZ und einer der beiden leitenden Autoren der Studie.

In der neuen Version 12.8 wurde der „Classifier“ auf Basis von etwa 7.500 Tumorproben trainiert – fast dreimal so viele wie in der bisherigen Version. Die Zahl der erkennbaren Tumorarten stieg dadurch von 91 auf 184. Möglich wurde dies durch die enge Zusammenarbeit mit über 100 Kliniken und Forschungseinrichtungen weltweit sowie durch Daten aus einer Online-Plattform, auf der Neuropathologinnen und ‑pathologen ihre Analysen teilen.

Das ursprünglich am Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ), am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sowie der Medizinischen Fakultät Heidelberg (MFHD) der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) entwickelte Verfahren nutzt dabei ein Teilgebiet der KI, sogenanntes maschinelles Lernen, um die Methylierungsmuster von Tumorproben automatisch zu analysieren. Es liefert zu jedem Ergebnis eine Wahrscheinlichkeitsbewertung. Dadurch können Pathologinnen und Pathologen einschätzen, wie zuverlässig die Diagnose ist.

Das klinische Potential der Methode zeigte sich bei der Analyse kindlicher Tumoren unterschiedlicher Patientenkohorten: Durch die Kombination der molekularen Daten mit klassischen Gewebeanalysen konnten zuvor falsch klassifizierte Fälle korrigiert werden. Manche Tumoren, die zuvor als bösartig eingestuft wurden, waren tatsächlich weniger aggressiv und damit auch die Überlebenschance der betroffenen Kinder besser als zunächst angenommen.

„In solchen Fällen könnte man demnach auch schonender behandeln“, betont auch David Jones, Abteilungsleiter am KiTZ und am DKFZ. „Das heißt, das Verfahren kann insgesamt dabei helfen, Tumoren genauer zu bestimmen, Therapieentscheidungen zu verbessern und die Prognose von Betroffenen mit ZNS-Tumoren zuverlässiger einzuschätzen.“

Die KI-gestützte Methode wurde im Jahr 2018 erstmals im renommierten Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht und durch die Online-Plattform kostenlos weltweit zugänglich gemacht. Seither wird der Heidelberger „Classifier“ von Pathologinnen und Pathologen weltweit genutzt. Über 160.000 Hirntumorproben aus allen Kontinenten wurden bislang analysiert.

Nachdem der Methylation Classifier zunächst nur für Forschungszwecke genutzt werden konnte, wurde er im Jahr 2022 als Diagnostikverfahren durch die ausgegründete Heidelberg Epignostix GmbH weltweit zur Verfügung gestellt. Zudem wurde ein internationales Konsortium gegründet, um das gesamte Verfahren – von der Datengenerierung, bis hin zur KI-basierten Auswertung – auch in einkommensschwachen Ländern weltweit verfügbar zu machen.

Originalpublikation:
Sill, M., Schrimpf, D., Patel, A., Sturm, D., et al. (2025). Advancing CNS tumor diagnostics with expanded DNA methylation-based classification. In: Cancer Cell (Online Publikation, 4. Dezember 2025). DOI: 10.1016/j.ccell.2025.11.002

Neue Version des Heidelberger Methylierungs-Klassifikators:
https://epignostix.com/

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Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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