„Kürzlich wurde bei meiner Mutter im Alter von 48 Jahren Darmkrebs festgestellt. Bei mir wächst die Sorge, dass auch ich ein höheres Darmkrebsrisiko haben könnte. Ich werde dieses Jahr 28, habe aber gelesen, dass ich als Mann frühestens mit 50 eine Darmspiegelung machen lassen kann – kann ich nicht bereits jetzt zur Vorsorge gehen?" Diese oder ähnliche Fragen erreichen den Krebsinformationsdienst immer wieder. Die Ärztinnen und Ärzte des Dienstes beantworten Fragen rund um Krebs, täglich von 8 bis 20 Uhr, telefonisch unter 0800-420 30 40 oder per E-Mail unter krebsinformationsdienst(at)dkfz.de – kostenlos, gut verständlich und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Was heißt erblicher Darmkrebs und wie kommt es dazu?
Wichtig zu wissen: Von allen Darmkrebserkrankten sind nur etwa vier Prozent von einer erblichen Form betroffen. Was als Hinweis auf eine erbliche Form von Darmkrebs zu werten ist, haben Fachleute genau festgelegt: Zum Beispiel, wenn drei enge Angehörige an Darmkrebs, Gebärmutterkörperkrebs oder Magenkrebs erkrankt sind. Oder aber, wenn Mutter (oder Vater) zum Zeitpunkt der Darmkrebsdiagnose noch jünger als 50 Jahre sind – dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Veränderungen im Erbgut vorliegen. Meist handelt es sich um eine einzelne Veränderung in einem bestimmten Abschnitt der Erbinformation, einem sogenannten Gen. Nur für sehr wenige Gene ist bekannt, dass sie mit der Entstehung von Darmkrebs in Verbindung stehen. Ist die Erbinformation eines dieser Gene verändert, kann das dazu führen, dass eine Zelle schneller wächst oder sich häufiger teilt. Kommt es im Laufe der Zeit zu weiteren Schäden im Erbgut, führen diese zu einer bösartigen Veränderung der Zelle – und damit zu Krebs.
Verdacht auf erblichen Darmkrebs: Was tun?
Ein Verdacht auf eine erbliche Erkrankung kann bei Darmkrebsbetroffenen aufgrund standardmäßig durchgeführter Untersuchungen entstehen. Das können die Ergebnisse der Darmspiegelung sein, insbesondere, wenn zahllose Polypen im Darm auffallen oder auch bestimmte Veränderungen bei der molekularen Untersuchung des Tumorgewebes. Dann prüfen die behandelnden Fachärztinnen und Fachärzte in einem zweiten Schritt auch das Blut des Betroffenen. Mithilfe der Erbinformation aus dem Blut können Ärztinnen und Ärzte vererbbare Genveränderungen nachweisen.Liegt eine Veränderung in einem der Gene, die das Krebsrisiko beeinflussen vor, können auch die Angehörigen im Rahmen einer humangenetischen Beratung entscheiden, ob sie sich testen lassen möchten. Wichtig zu wissen: Kinder von krebserkrankten Anlageträgern erben die Genveränderung für erblichen Darmkrebs mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent.
Was ist jedoch, wenn keine Genveränderung nachgewiesen werden konnte oder Krebserkrankte in der Familie vielleicht schon verstorben sind? Angehörige können sich dann an Haus- oder Fachärzte wenden, sie sind in der Lage einzuschätzen, ob eine weitergehende Beratung sinnvoll wäre. Ist das der Fall, überweisen sie an spezialisierte Zentren mit humangenetischen Beratungsstellen.
Humangenetische Beratung und Gentest
Die Ärztinnen und Ärzte erläutern bei der humangenetischen Beratung, was erblicher Krebs ist und wie hoch die Wahrscheinlichkeit für den Angehörigen ist, tatsächlich an Krebs zu erkranken. Sie beschreiben, wie ein Gentest funktioniert und welche Folgen das Ergebnis haben kann. Nach der Beratung bleibt ausreichend Bedenkzeit, um sich für oder gegen einen Test zu entscheiden.
Zeigt der Gentest eine darmkrebsfördernde Veranlagung, kann dieses Wissen belastend sein. Psychologische Hilfe bekommen Betroffene bereits in der genetischen Beratungsstelle. Auch Selbsthilfegruppen, die sich speziell an Menschen mit erblichen Krebsrisiken und ihre Angehörigen richten, wie zum Beispiel das BRCA-Netzwerk, unterstützen. Wichtig aber auch: Bei der Beratung wird ein an das jeweilige Risiko angepasste Vorsorgekonzept erarbeitet und auch festgelegt, wann und wie häufig eine Darmspiegelung durchgeführt werden sollte. Die Kosten für die genetische Beratung und den Gentest übernimmt die gesetzliche Krankenkasse bei begründetem medizinischen Verdacht. Privatversicherte sollten in ihrem Versicherungsvertrag prüfen, welche Leistungen bezahlt werden oder sich im Zweifelsfall an ihre Krankenkasse wenden.
So lautet die Antwort des Krebsinformationsdienstes
„Da Ihre Mutter in einem Alter unter 50 Jahren an Darmkrebs erkrankt ist, begründet das auch für Sie als direkten Nachkommen grundsätzlich einen ersten medizinischen Verdacht auf eine erbliche Ursache. Wichtig ist aber zunächst zu wissen, ob bei Standarduntersuchungen im Rahmen der Krebsbehandlung Ihrer Mutter Befunde aufgefallen sind, die auf erblichen Darmkrebs hinweisen. Ist das der Fall, dann kann eine mögliche Genveränderung am besten bei Ihrer Mutter nachgewiesen werden. Für Sie als Sohn ist eine humangenetische Beratung und ein persönliches Vorsorgekonzept sinnvoll, das auch deutlich vorgezogene Darmspiegelungen (meist 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter des Elternteils) und gegebenenfalls auch engmaschigere Untersuchungsintervalle umfasst.“
Nicht nur Darmkrebs kann erblich sein
Fachleute schätzen, dass etwa fünf bis zehn von 100 Krebserkrankungen aufgrund einer einzelnen erblichen Veranlagung entstehen. Prinzipiell kann eine erbliche Veranlagung die Entstehung aller Krebsarten begünstigen. Bei einigen Krebsarten ist der Anteil Betroffener mit einer bekannten Veränderung im Erbmaterial aber größer als bei anderen. So zum Beispiel bei Brust- und Eierstockkrebs. Der Krebsinformationsdienst bietet auf seiner Website drei Broschüren zu Brust- und Eierstockkrebs an. Für Angehörige, Patienten sowie eine Broschüre in Leichter Sprache. Die Broschüren können bestellt werden und stehen auch zum Download zur Verfügung (https://www.krebsinformationsdienst.de/broschueren).