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Wie Blutkrebszellen sich selbst erneuern

Gemeinsame Pressemitteilung von UKHD und DKFZ

Nr. 66b | 23.11.2022

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des Universitätsklinikums Heidelberg, des Deutschen Krebsforschungszentrums und der HI-STEM gGmbH* haben einen neuen Mechanismus zur Selbsterneuerung von Leukämie-Stammzellen gefunden. Die Studienergebnisse helfen, den aggressiven Verlauf bei einer akuten myeloischen Leukämie besser zu verstehen.

Knochenmarksausstrich eines Patienten mit AML
© Wikimedia Commons

Nahezu alle Gewebe unseres Körpers enthalten Stammzellen, die sich unbegrenzt teilen können und darüber hinaus in der Lage sind, eine große Anzahl verschiedener ausgereifter Zelltypen zu bilden. Auch manche Krebszellen haben diese Fähigkeit und machen Tumoren besonders aggressiv und widerstandsfähig gegenüber Therapien. Insbesondere bei Blutkrebs sind solche Leukämiestammzellen beschrieben. Welche molekularen Mechanismen diese Tumorstammzellen ausmachen, erforscht ein Forscherteam vom Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und vom Stammzellinstitut HI-STEM bei der akuten myeloischen Leukämie (AML). In der Fachzeitschrift „Cancer Discovery" beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen völlig neuen molekularen Mechanismus, der normale Leukämiezellen zu den besonders gefährlichen Leukämiestammzellen macht.

AML ist eine besonders aggressive Krebserkrankung des blutbildenden Systems: Etwa 50 Prozent der Betroffenen erleiden nach der Therapie einen Rückfall, der auf überlebende Leukämie-Stammzellen zurückzuführen ist.

RNA-Methylierung steuert Mechanismus zur Selbsterneuerung und macht Krebszellen aggressiv

Das Heidelberger Team konzentrierte seine Arbeiten auf die Molekülgruppe der sogenannten ribosomalen Ribonukleinsäuren (rRNA). Die rRNA bildet zusammen mit weiteren Komponenten die „Eiweißfabriken" der Zellen, die Ribosomen. Hier werden alle für die Zellfunktion benötigten Proteine aus ihren Bestandteilen zusammengesetzt. Frühere Forschungsarbeiten im Team von Professor Müller-Tidow hatten die Vermutung nahegelegt, dass bestimmte chemische Modifikationen (Methylierungen) an der rRNA die Krebsentwicklung beeinflussen können.

Für ihre Experimente transplantierten die Wissenschaftler menschliche AML-Zellen, die ein Schlüsselprotein für diesen Methylierungsprozess bilden können, in Mäuse. Auf diese Weise ließ sich die Methylierung der rRNA in den Krebszellen der Tiere funktionell untersuchen. Die Forscher zeigten, dass AML-Stammzellen hochspezifische und dynamisch regulierte Methylierungsmuster an den rRNA-Molekülen tragen. Diese Methylmarkierungen beeinflussen, welche Proteine die Leukämie-Stammzellen vorrangig bilden. Auch die Fähigkeit zur Selbsterneuerung – das wichtigste Merkmal einer Krebsstammzelle – wird über diesen Mechanismus stimuliert.

„Unsere Arbeiten erlauben völlig neue Einblicke in die bisher noch kaum verstandenen molekularen Mechanismen, die Leukämie-Stammzellen so gefährlich machen", erklärt Andreas Trumpp, Leiter der Abteilung „Stammzellen und Krebs" am DKFZ und Direktor von HI-STEM. Carsten Müller-Tidow, Ärztlicher Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie am UKHD, berichtet: „Seit langem bereits kennen wir Methylierungen des Erbguts als wichtigen Steuermechanismus, der die Aggressivität von Tumorzellen reguliert. Wir konnten nun erstmals zeigen, dass auch die Methylierung von rRNA-Molekülen der Krebszellen erheblichen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat. Wir hoffen, dass wir auf Basis unserer Ergebnisse zukünftig neue Therapieansätze entwickeln können, die auch die ansonsten resistenten Leukämiestammzellen vernichten und damit die Leukämie endgültig besiegen."

Literatur

Zhou F, Aroua N, Rohde C, et al. A dynamic rRNA ribomethylome drives stemness in acute myeloid leukemia. Cancer Discovery 2022; https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36259929/

* Das Heidelberger Institut für Stammzellforschung und experimentelle Medizin (HI-STEM) gGmbH wurde 2008 als Public-Private-Partnership vom DKFZ und der Dietmar Hopp Stiftung gegründet.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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