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Fahndung nach Lymphom-Risiken

Nr. 34 | 28.07.2004 | von (JR)

Über die Ursachen von Lymphdrüsenkrebs ist wenig bekannt. Eine Fallkontrollstudie unter Leitung von Professor Nikolaus Becker und Dr. Alexandra Nieters, Abteilung Klinische Epidemiologie, Deutsches Krebsforschungszentrum, nimmt mögliche Risikofaktoren in den Blick. Erste Ergebnisse dieser deutschen Lymphomstudie weisen auf immunologische Risiken hin, die von Lebensstil- und Umfeldbedingungen geprägt werden. Möglicherweise begünstigt eine unzureichende Beanspruchung des Immunsystems in der frühen Kindheit nicht nur Allergien, sondern auch Leukämien und Lymphome.
Beim Lymphdrüsenkrebs unterscheidet man den Morbus Hodgkin und die so genannten Non-Hodgkin-Lymphome. Letztere zählen zu den wenigen Krebsformen, bei denen sowohl die Erkrankungshäufigkeit als auch die Sterblichkeit in den letzten 20 Jahren stetig zugenommen hat. Diskutiert wird, ähnlich wie bei Allergien, ein Einfluss der Bedingungen in der frühen Kindheit. Nach der so genannten Hygiene-Hypothese könnte eine unzureichende Auseinandersetzung mit Erregern in der frühen Kindheit, die für moderne Kleinfamilien typisch ist, für spätere Fehlentwicklungen des Immunsystems in Richtung Lymphdrüsenkrebs zumindest mitverantwortlich sein. Wenn die Hypothese stimmt, müsste z.B. auch ein Aufwachsen „auf dem Bauernhof“ eine gewisse Schutzwirkung entfalten.

In der Fallkontrollstudie wurden zwischen 1999 und 2003 mehr als 700 Patienten mit Lymphdrüsenkrebs (sowohl Non-Hodgkin-Lymphome als auch Hodgkin-Lymphome) mit 700 nicht erkrankten Menschen verglichen, die nach Alter, Geschlecht und Wohnort jeweils passend ausgesucht worden waren. In ausführlichen Interviews erfragten die Untersucher demographische Merkmale, Lebensstilfaktoren, medizinische Vorgeschichte und berufliche Umgebung und baten jeden Probanden um eine Blutprobe. Die erste Auswertung der Daten beschränkt sich auf demographische Charakteristika, Tierkontakte, Erkrankungen in der Kindheit und Impfungen.

Tatsächlich waren einige Faktoren positiv oder negativ mit dem Lymphomrisiko assoziiert. So war die Wahrscheinlichkeit, an einem Lymphom zu erkranken, bei Tierkontakten in der Kindheit vermindert (z.B. gegenüber Schafen, Ziegen, Kaninchen und Hasen). Bei engem Kontakt zu Rindern war sie dagegen erhöht. Die positive Assoziation speziell bei Rinderkontakten scheint speziesspezifisch zu sein und war bereits in früheren Studien aus anderen Ländern berichtet worden.

Das Erkrankungsrisiko war ebenfalls erniedrigt, wenn in der Kindheit Kinderkrankheiten durchgemacht wurden (z.B. Masern- und Keuchhusteninfektion) oder an Impfungen teilgenommen wurde (z.B. gegen Tetanus (Wundstarrkrampf)). Bei Impfung gegen Tuberkulose war es allerdings erhöht. Infektionen in der Kindheit sind schon mehrfach im Hinblick auf das Lymphomrisiko untersucht worden, allerdings mit widersprüchlichen Resultaten. Ein verringertes Risiko speziell nach Maserninfektion war aber wiederholt beobachtet worden. Dass die Krankheit auch mit einem erhöhten Allergierisiko einhergeht, könnte für eine immunologische Gemeinsamkeit in der Krankheitsentstehung sprechen.
Andere Indikatoren eines ländlichen Umfeldes und damit eines intensiven Erregerkontaktes blieben jedoch negativ. So zeigte sich keine Assoziation zum Konsum von Rohmilch. Ebenso wenig ließ sich eine Beziehung zur Anzahl der Personen im Haushalt oder zur Zahl der Geschwister feststellen (als Indikator gehäufter Infektionen in der frühen Kindheit).

Nikolaus Becker deutet die Ergebnisse wie folgt: „Die Ergebnisse stimmen nur teilweise mit der so genannten Hygiene-Hypothese überein. Das kann damit zusammenhängen, dass diese Faktoren tatsächlich keine maßgebliche Rolle bei der Entstehung von Lymphomen spielen, oder die untersuchten Indikatoren (z.B. Zahl der Geschwister) unzulänglich sind. Gleichwohl scheinen die Umfeldbedingungen der frühen Kindheit einen lang anhaltenden Einfluss auf das Immunsystems zu haben, der durchaus mit der Entstehung von Lymphomen in Verbindung gebracht werden kann.“ In einer zweiten Phase der Datenauswertung werden jetzt weitere potenzielle Risikofaktoren analysiert.

Nikolaus Becker, Evelin Deeg, Alexandra Nieters: Population-based study of lymphoma in Germany: rationale, study design and first results. Leukemia Research28 (2004), 713-724.

Morbus Hodgkin:
Jährlich erkranken über 1800 Menschen in Deutschland, das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 41 Jahren.

Non-Hodgkin-Lymphome:
Jährlich erkranken in Deutschland etwa 6000 Männer und 6500 Frauen, das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei 61 bzw. 66 Jahren.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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