Brustkrebs hat im metastasierten Stadium nach wie vor eine schlechte Prognose. Die derzeitige Therapie kann die Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium zwar einige Zeit aufhalten. Dennoch ist Brustkrebs mit rund 18.500 Todesfällen pro Jahr in Deutschland die häufigste Ursache für Frauen, an Krebs zu versterben. Lässt sich die Therapie von Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs durch Medikamente verbessern, die auf das individuelle genetische Profil ihres Tumors zugeschnitten sind? Diese Frage wollen Heidelberger Ärzte und Wissenschaftler mit der CATCH-Studie klären. In die vorausschauende („prospektive“) Studie wurden Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs eingeschlossen, die am NCT Heidelberg in Behandlung waren. Bei 412 dieser Frauen konnte das Tumorerbgut vollständig molekular charakterisiert, im Zusammenhang mit der detaillierten Krankengeschichte im interdisziplinären molekularen Tumorboard diskutiert und der Krankheitsverlauf nachbeobachtet werden. Dazu analysierten die Forschenden unter anderem das gesamte Erbgut des Tumors sowie auch die Tumor-RNA. So konnten sie relevante Biomarker identifizieren, die mit einfachen Paneltests, die auf wenige Hundert Gene begrenzt sind, nicht entdeckt worden wären. Die Analysen bildeten die Grundlage für maßgeschneiderte Therapieentscheidungen.
Fast jede zweite Patientin (44 Prozent) konnte eine vom Tumorboard empfohlene Therapie erhalten, weil gegen genetische Auffälligkeiten ihrer Erkrankung spezifisch zielgerichtete Wirkstoffe verfügbar waren. Diese Behandlungsrate übertrifft die Werte anderer internationaler Programme der Präzisionsonkologie deutlich. Besonders bemerkenswert: Bei einem Drittel der Patientinnen führte die molekular gesteuerte Therapie zu einer um mindestens 50 Prozent längeren progressionsfreien Überlebenszeit im Vergleich zur Standardtherapie. Das Fortschreiten der Erkrankung wurde also bei einem Teil der Patientinnen für eine gewisse Zeit verhindert.
86 Prozent der molekular gesteuerten medikamentösen Therapien erfolgten off-label, also außerhalb der zugelassenen Indikationen. Rückblickend zeigt sich, dass ein erheblicher Teil dieser Arzneimittel inzwischen für die Behandlung von Brustkrebs zugelassen ist – ein Zeichen für die Innovationskraft von CATCH.
Andreas Schneeweiss, Sektion Gynäkologische Onkologie am NCT Heidelberg und UKHD, ist Seniorautor der jetzt erschienenen Publikation. Er sagt: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine ganzheitliche molekulare Analyse klinisch relevante Vorteile für Patientinnen bringen kann. Wir identifizieren und nutzen damit Therapieoptionen, die sonst unentdeckt bleiben.“ Mit CATCH ist es gelungen, die molekulare Diagnostik mit klinischer Entscheidungsfindung eng zu verzahnen. Die Studie unterstreicht, dass Präzisionsonkologie in der Routineversorgung technisch machbar und medizinisch sinnvoll ist.
Peter Lichter, Abteilung Molekulare Genetik am DKFZ und Geschäftsführender Direktor am NCT Heidelberg, ist ebenfalls Seniorautor der Studie. Er fasst zusammen: „Wir zeigen, dass eine datenbasierte, individuelle Herangehensweise zu besseren Behandlungsergebnissen bei Patientinnen mit metastasiertem Brustkrebs führen kann. Damit setzten wir einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung der personalisierten Krebsmedizin.“
* CATCH: Comprehensive assessment of clinical features and biomarkers to identify patients with advanced or metastatic breast cancer for marker driven trials in humans
Publikation: Mario Hlevnjak°, Sabine Heublein°, Verena Thewes°, Lukas Wagener, Constantin Pixberg, Carlo Fremd, Laura Michel, Christian Maurer, Lars Buschhorn, Nicola Dikow, Fangyoumin Feng, Stefan Fröhling, Christel Herold-Mende, Steffen Hirsch, Chen Hong, Daniel Hübschmann, Lena Jassowicz, Polina Kozyulina, Katrin Pfütze, Richard F. Schlenk, Hans-Peter Sinn, Katharina Smetanay, Christoph Springfeld, Albrecht Stenzinger, Celina Wagner, Stephan Wolf, Andreas Trumpp, Dirk Jäger, Oliver Zivanovic, Marc Zapatka°, Andreas Schneeweiss°, Peter Lichter°: Delivering precision oncology in metastatic breast cancer: Clinical impact of comprehensive genomic profiling - The CATCH experience. International Journal of Cancer; http://doi.org/10.1002/ijc.70208
° Diese Autoren haben zu gleichen Teilen zu dieser Studie beigetragen.
Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet kostenfrei zur Verfügung unter:
https://www.nct-heidelberg.de/fileadmin/media/nct-heidelberg/news/pressemitteilungen/CATCH_IJC_NCT-Heidelberg.jpg
Nutzungshinweis für Bildmaterial zu Pressemitteilungen
Die Nutzung ist kostenlos. Das NCT Heidelberg gestattet die einmalige Verwendung in Zusammenhang mit der Berichterstattung über das Thema der Pressemitteilung. Bitte geben Sie als Bildnachweis das Copyright „CATCH/NCT Heidelberg“ an. Eine Weitergabe des Bildmaterials an Dritte ist nur nach vorheriger Rücksprache mit der NCT-Kommunikation (Tel.: +49 6221 42-56311272, E-Mail: martin.staiger(at)nct-heidelberg.de) gestattet. Eine Nutzung zu kommerziellen Zwecken ist untersagt.