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Nicht alle ALK-Fusionen wirken gleich: Varianten beeinflussen den Behandlungserfolg bei Lungenkrebs

Eine anatomische Darstellung eines menschlichen Körpers mit hervorgehobenen Lungen. Eine Lunge zeigt farbige Bereiche, die möglicherweise auf eine Erkrankung oder Anomalie hinweisen. Der Fokus liegt auf der funktionalen Struktur der Lungen und deren Bedeutung für die Atmung.

Etwa fünf Prozent der Lungen-Adenokarzinome, einer der häufigsten Formen von Lungenkrebs, werden durch eine fehlerhafte Fusion der beiden Gene EML4 und ALK verursacht. Diese Verschmelzung führt zu verschiedenen Varianten von Fusionsproteinen. Bisher erhielten alle Patienten mit diesen Fusionen die gleiche Therapie. Doch nun zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der Stanford University an Mausmodellen, dass nicht alle Fusionsvarianten die gleiche Auswirkung haben. Die Variante V3 verursacht aggressivere Tumoren als V1 und spricht schlechter auf zielgerichtete Medikamente an. Die Ergebnisse könnten in Zukunft den Weg für eine noch spezifischere personalisierte Therapie ebnen.

Wenn Teile der EML4- und ALK-Gene fusionieren, entsteht ein abnormales Fusionsprotein, das das Krebswachstum fördert. Die Länge und Struktur dieses Fusionsproteins variieren jedoch, je nachdem, wo die Gene brechen und sich wieder verbinden. „Bislang wurden alle Patienten mit ALK-Fusionen in eine Gruppe zusammengefasst und mit denselben Medikamenten behandelt“, erklärt Rocío Sotillo vom DKFZ. „Unsere Forschung zeigt, dass dieser einheitliche Ansatz wichtige biologische Unterschiede der verschiedenen Varianten der Fusionsproteine außer Acht lässt.“

Unterschiedliche Varianten, unterschiedliche Ergebnisse

Mithilfe der CRISPR/Cas9-Technologie schufen die Forscher Mausmodelle, die die beiden häufigsten menschlichen Varianten reproduzieren. Damit fanden sie heraus, dass die V3-Variante viel aggressivere Tumoren verursacht als die V1-Variante. Mäuse mit V3-getriebenen Tumoren entwickelten schneller größere Tumormassen und hatten eine kürzere Überlebenszeit.

Die Forscher untersuchten auch den Einfluss von 29 sogenannten Tumor-Suppressorgenen auf die fusionsgetriebenen Lungentumoren. Tumor-Suppressorgene schützen normalerweise vor unkontrolliertem Zellwachstum. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass ihre Wirkung stark von der jeweiligen EML4-ALK-Variante abhängt: Während einige Suppressorgene das Wachstum von V1-Tumoren verlangsamten, hatten sie kaum Auswirkungen auf V3-Tumoren – und umgekehrt.

Auswirkungen auf die Behandlung

Patienten mit Lungenkrebs, der durch ein EML4-ALK Fusionsprotein angetrieben wird, können mit zielgerichteten Therapien, sogenannten ALK-Inhibitoren, behandelt werden. Die Medikamente blockieren das Fusionsprotein und verlangsamen das Tumorwachstum. „Wir haben festgestellt, dass das Ansprechen auf das Medikament tatsächlich von der Fusionsvariante abhängt“, erklärt Studienautor Mulham Najajreh „Tumorzellen mit der V1-Variante reagierten viel empfindlicher auf den ALK-Inhibitor Lorlatinib, während diejenigen mit der V3-Variante resistent waren. Wir haben auch gesehen, dass zusätzliche genetische Veränderungen, wie der Verlust des Tumorsuppressors PTEN, die Wirksamkeit der Behandlung weiter verändern können.“

Eine Auswertung der Daten aus dem bislang größten Patientendatensatz von EML4-ALK-positiven Lungenkrebserkrankungen bestätigte die Unterschiede: Patienten mit unterschiedlichen Varianten wiesen häufig unterschiedliche Co-Mutationen auf. Das legt nahe, dass EML4-ALK-getriebene Formen von Lungenkrebs differenzierter betrachtet und in Zukunft möglicherweise auch variantenspezifisch behandelt werden sollten.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich nicht alle EML4-ALK-Fusionen gleich auswirken. Das könnte erklären, warum manche Patienten deutlich besser auf Therapien ansprechen als andere“, sagt Studienleiterin Rocío Sotillo vom DKFZ. „Langfristig könnte die Kenntnis der genauen Fusionsvariante dazu beitragen, Behandlungen auszuwählen, die noch spezifischer auf die individuelle Erkrankung zugeschnitten sind.“

Diese Forschung wurde vom Deutschen Zentrum für Lungenforschung, Worldwide Cancer Research und den National Institutes of Health unterstützt.

Publikation:
Alberto Diaz-Jimenez, Emily G. Shuldiner, Kalman Somogyi, Karen Shih, Oscar Gonzalez-VelascoMulham Najajreh, Stewart Kim, Filiz Akkas, Christopher W. Murray, Laura Andrejka, Min K. Tsai, Benedikt Brors Ilse Hofmann, Smruthy Sivakumar, Saumya D. Sisoudiya, Ethan S. Sokol, Hongchen Cai, Dmitri A. Petrov, Monte M. Winslow, and Rocio Sotillo: EML4-ALK variant-specific genetic interactions shape lung tumorigenesis. Cancer Discovery, 2025. DOI: https://aacrjournals.org/cancerdiscovery/article/doi/10.1158/2159-8290.CD-24-1417

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