Nr. 11b

DKTK: Entzündungen machen Tumorzellen mobil

Braun gefärbtes Dickdarmkarzinom, bei dem sich einzelne Tumorzellen und –zellverbände vom Tumor lösen und in das hell gefärbte normale Gewebe einwandern.
Braun gefärbtes Dickdarmkarzinom, bei dem sich einzelne Tumorzellen und –zellverbände vom Tumor lösen und in das hell gefärbte normale Gewebe einwandern.

Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung und der Ludwig-Maximilians-Universität München

Entzündungen können die Entstehung von Tumoren und das Wandern von Tumorzellen im Körper begünstigen. Das ist seit längerem bekannt. Die Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, lagen jedoch lange im Dunkeln. Wissenschaftlern von den Partnerstandorten München und Frankfurt des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) ist es nun gelungen, einen Rückkoppelungsmechanismus aufzudecken, der erklärt, wie chronische Entzündungen zur Krebsentstehung beitragen.

Bösartige Tumore breiten sich im Körper aus, indem die Krebszellen auf Wanderschaft gehen. Dazu müssen lokal wachsende Tumorzellen ihre Eigenschaften so verändern, dass sie in andere Gewebe eindringen können. Zunehmend gibt es Hinweise, dass auch Entzündungen diesen Prozess auslösen können. Eine wichtige Rolle spielt dabei der körpereigene Botenstoff Interleukin 6 (IL-6). Er wird sowohl von Immunzellen als auch von Tumorzellen freigesetzt und bindet an den Interleukin 6 Rezeptor (IL-6R) auf der Zelloberfläche. „Wir konnten nun zeigen, wie eine kurze Exposition mit IL-6 zu dauerhaften Veränderungen von Krebszellen führen kann, die zu einer erhöhten Mobilität und damit Metastasierung beitragen“, sagt Professor Heiko Hermeking, der am Pathologischen Institut der Ludwig-Maximilian-Universität in München forscht und die Studie leitete.

Mithilfe von Untersuchungen an Darmkrebszellen in der Zellkultur konnten die Wissenschaftler zeigen, dass IL-6 über eine Rückkoppelungsschleife wirkt, bei der ein extrem kurzes RNA-Molekül – die sogenannte MikroRNA-34a (miR-34a) – eine zentrale Rolle spielt. miR-34a setzt normalerweise einen Schutzmechanismus in Gang, der Tumorentstehung und Metastasierung verhindert. „Die Aktivierung des IL-6R hebelt diesen Schutz aus, indem der Faktor STAT3 aktiviert wird. Er unterdrückt das miR-34a kodierende Gen“, sagt Heiko Hermeking. „Wir konnten zudem zeigen, dass der IL-6 Rezeptor selbst durch miR-34a direkt gehemmt wird. Durch die Unterdrückung von miR-34a wird der Rezeptor daher zusätzlich verstärkt gebildet.“ So entsteht eine Feedbackschleife, die je nachdem, ob miR-34a oder IL-6 überwiegt, krebsfördernde Gene unterdrückt oder aktiviert.

Entzündungen im Körper führen zu einer vermehrten IL-6 Ausschüttung – somit können chronische Entzündungen über den neu entdeckten Signalweg zur Entstehung von Metastasen beitragen. „Dies haben wir nun zum ersten Mal im Mausmodell in vivo nachweisen können. Mäuse, die kurze RNA miR34a nicht bilden können, haben wir in Zusammenarbeit mit Professor Florian Greten vom Georg-Speyer Haus am DKTK-Partnerstandort Frankfurt untersucht. Dabei zeigte sich, dass diese veränderten Mäuse Entzündungs-induzierte Tumoren bilden, die invasiv wachsen. An menschlichen Brust- und Prostatakrebszellen konnten wir außerdem zeigen, dass die neu entdeckte Feedback-Schleife auch bei anderen menschlichen Tumorarten aktiviert ist“, sagt Heiko Hermeking. „Außerdem zeigte die Untersuchung von Tumorzellen zahlreicher Darmkrebs-Patienten, dass die Fern-Metastasierung mit der Aktivierung der Feedback-Schleife zusammenhängt.“

Der neu entdeckte Rückkoppelungsmechanismus bietet die Chance, an verschiedenen Stellen therapeutisch einzugreifen. „Neben STAT3 und IL-6, die bereits etablierte Zielmoleküle in der Tumortherapie sind, legt die neue Studie insbesondere die kleine RNA, miR-34a, als weiteres therapeutisches Ziel etwa bei der Behandlung metastasierender Darmtumore nahe. Aber auch diagnostische oder prognostische Anwendungen sind denkbar“, sagt DKTK-Wissenschaftler Heiko Hermeking.

Die Forschungsarbeiten wurden durch die Deutsche Krebshilfe und das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) gefördert.

Matjaz Rokavec, Meryem Gülfem Öner, Huihui Li, Rene Jackstadt, Jiang Longchang, Dmitri Lodygin, Markus Kaller, David Horst, Paul K. Ziegler, Sarah Schwitalla, Julia Slotta-Huspenina, Franz G. Bader, Florian R. Greten, Heiko Hermeking. IL-6R/STAT3/miR-34a feedback controls EMT, invasion and metastasis of colorectal cancer. Journal of Clinical Investigation 2014, DOI: 10.1172/JCI73531.

Über das DKFZ

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)

Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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