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Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Tödliche Zellkommunikation

Tumorzellen tauschen sich mit gesundem Körpergewebe aus. Das schafft die Bedingungen dafür, dass sich schwarzer Hautkrebs entwickeln kann, aggressiv wird und schließlich streut. Wie das vonstattengeht, untersucht DKFZ-Forscher Jörg Hoheisel gemeinsam mit zwei israelischen Wissenschaftlerinnen.

Eine gute Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg – egal, ob es darum geht, beim Chef eine Gehaltserhöhung herauszuschlagen, sich mit der Familie auf das nächste Urlaubsziel zu einigen, oder mit dem Nachbarn zu klären, wer wann den Winterdienst übernimmt. Und auch im Inneren des Körpers findet ständig ein reger Austausch statt, damit im Organismus alles optimal funktioniert – zumindest im Normalfall. Denn auch Krebszellen kommunizieren. Sie schaffen sich dadurch eine Umgebung, die es ihnen erlaubt, sich zu behaupten und auszubreiten. Und genau diese Tatsache regt wiederum Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und aus Tel Aviv in Israel zu einer intensiven Kommunikation und Zusammenarbeit an. Körperzellen sind viel mehr als die Bausteine, aus denen Gewebe, Organe und letztlich der gesamte Organismus zusammengesetzt ist. Zellen sind kleine lebendige Einheiten, die sich permanent in einem regen Austausch untereinander befinden. Sie schicken sich gegenseitig Botschaften – teils über weite Strecken hinweg – und erhalten so Informationen über den Zustand der Nachbarzellen, des Gewebeverbands, in dem sie leben, aber auch aus weiter entfernten Organen. So koordinieren sie die Entwicklung, stimmen Stoffwechselprozesse aufeinander ab und sorgen letztlich dafür, dass der gesamte Organismus gesund und funktionsfähig bleibt.

Krebszellen im Gespräch

Bevor Melanomzellen in tiefere Hautschichten wandern, senden sie kleine Bläschen (rot) mit kurzen rNa-Molekülen aus, die die dortigen Bindegewebszellen (grün) umprogrammieren.
© Shani Dror und Carmit Levy

Doch nicht nur gesunde Körperzellen, auch Tumorzellen beteiligen sich am Zellgeflüster. „Das ist ein völlig natürlicher Vorgang“, sagt Jörg Hoheisel, Leiter der Abteilung Funktionelle Genomanalyse im DKFZ. „Denn auch wenn Krebszellen verändert sind, sind sie letztlich doch Bestandteil des Körpergewebes und bleiben so bei der interzellulären Kommunikation nicht außen vor.“ Allerdings: Krebszellen senden andere Signale aus als gesunde Zellen. Und letztlich gelingt es ihnen so, ihre Umgebung derart zu manipulieren, dass sie sich durchsetzen und zu einem Tumor heranwachsen können. Gemeinsam mit zwei israelischen Wissenschaftlerinnen inTel Aviv untersucht Hoheisel, wie die Kommunikationsprozesse zwischen Zellen dazu beitragen, dass schwarzer Hautkrebs entsteht und sich ausbreiten kann. Das maligne Melanom, wie diese Krebsart in der Fachsprache genannt wird, ist der gefährlichste Tumor der Haut und gleichzeitig die tödlichste Hauterkrankung. In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 21.000 Menschen an dieser Krebsart. Darüber hinaus stellen Ärzte bei etwa 9.000 weiteren Menschen Frühformen des malignen Melanoms fest. Melanome entstehen aus entarteten Melanozyten, den Pigmentzellen der Haut. Das Tückische an dieser Krebsart: Die Hauttumoren sind häufig therapieresistent und neigen sehr früh dazu, Metastasen zu bilden, die gefürchteten Tochtergeschwülste. Für DKFZ-Forscher Hoheisel war das maligne Melanom in gewisser Weise thematisches Neuland, als Carmit Levy vor einigen Jahren an ihn herantrat. „Ich habe mit meiner Gruppe bis dahin eigentlich vorrangig an Bauchspeicheldrüsenkrebs geforscht“, sagt Hoheisel. „Aber das Thema war absolut spannend, und letztlich können wir die Methoden und Analyseverfahren, mit denen wir in unserer Gruppe arbeiten, auf alle Krebsarten anwenden.“

Invasion auf Umwegen

© Bohm und Nonnen/DKFZ

Carmit Levy dagegen, Gruppenleitern in der Abteilung für Humangenetik und Biochemie an der Universität Tel Aviv, ist Expertin auf dem Gebiet des schwarzen Hautkrebses. „Melanome entstehen zunächst in der Epidermis, der Oberhaut“, erklärt sie. „Wenn die entarteten Pigmentzellen aggressiv wachsen, wandern sie in die darunterliegende Dermis, die Lederhaut.“ Das ist ein entscheidender Schritt bei der Krebsentstehung. Denn im Gegensatz zur Oberhaut verlaufen in der Lederhaut Blutgefäße. Nur hier bekommen die Krebszellen ausreichend Nährstoffe, sodass der Tumor gedeihen und invasiv in das umliegende Gewebe wuchern kann. Und nur hier kann der Tumor Zellen ins Blut abgeben und so letztlich im Körper streuen. Allerdings: Auf dem Weg in die Dermis schlagen die entarteten Pigmentzellen einen erstaunlichen Haken. „Bevor Melanomzellen in die Dermis einwandern, richten sie sich überraschenderweise zunächst nach oben aus, bevor sie die Richtung wechseln und invasiv werden“, sagt Levy. Doch warum überhaupt sollten die Tumorzellen Energie darauf verschwenden, in Richtung Oberfläche zu wachsen, bevor sie in tiefere Hautschichten eindringen? Das klingt so unlogisch, dass die Wissenschaftlerin zu der Überzeugung kam: „Es muss in der Mikroumgebung der Tumoren einen Auslöser dafür geben.“ Der Vergleich zwischen gesunden und kranken Hautproben hat schließlich ergeben, dass die hornbildenden Zellen der Oberhaut, die sogenannten Keratinozyten, eine Botschaft verschicken. Dabei handelt es sich um ein Molekül, das an die Melanomzellen andockt und dort einen Signalweg ankurbelt, der sie aggressiv macht und in die Dermis einwandern lässt. Aber auch die Tumorzellen selbst verhalten sich nicht stumm. Sie senden kleine Bläschen aus, die sich von den Zellen abschnüren, sogenannte Vesikel. Diese enthalten microRNAs (miRNAs), winzige RNASchnipsel, die in ihrem Aufbau der DNA ähneln. Sie sind in der Lage, die Regulation von Genen und damit das Verhalten von Zellen zu steuern. Doch was hat das zu bedeuten? „An diesem Punkt angelangt, brauchten wir einen Partner, der uns bei der Analyse der miRNA unterstützen kann“, berichtet Levy. Sie stieß auf das Kooperationsprogramm des DKFZ mit dem Ministerium für Wissenschaft und Technik in Israel, das bereits seit 1976 Forscher aus beiden Ländern zusammenbringt „Ich suchte nach einem DKFZPartner und fand Jörg Hoheisel, der mit seiner Expertise an der Weltspitze steht, und dessen Knowhow genau das war, was wir für unsere Fragestellung brauchten.“ Gemeinsam machte sich das deutschisraelische Team daran, die Botschaft der miRNASchnipsel zu entschlüsseln. Die Wissenschaftler erkannten, dass die Krebszellen in den Vesikeln Nachrichten an die Dermis versenden – und zwar bereits bevor sie sich auf den Weg dorthin machen. Die Zellen in der Dermis nehmen die Vesikel auf und verändern sich mithilfe der darin enthaltenen miRNA. Das hat zur Folge, dass hier alles für die Ankunft der Melanomzellen vorbereitet wird und diese sich gut einnisten und vermehren können.

Gesunde Körpergewebe bereiten den Weg

„Jetzt, wo wir die Signale kennen, die dazu führen, dass Melanome invasiv wachsen, können wir uns auf die Suche nach Lösungen machen, um diese zu blockieren“, unterstreicht Levy die Bedeutung der Arbeit. Wenn sich bereits in einem frühen Stadium der Krebserkrankung verhindern ließe, dass die Krebs zellen sich in der Dermis einnisten, ließe sich der schwarze Hautkrebs vermutlich stoppen. Jörg Hoheisel ist in der Zwischenzeit Partner in einem weiteren deutsch-israelischen Forschungsvorhaben. Und wieder spielen Melanome, Vesikel und miRNAs eine Rolle. Neta Erez, Leiterin eines Labors für Tumorbiologie an der Universität Tel Aviv, beschäftigt sich mit der Metastasierung von schwarzem Hautkrebs. Die Tochtergeschwülste des malignen Melanoms siedeln sich fast ausschließlich in der Lunge und im Gehirn an. Das könne kein Zufall sein, erklärt Hoheisel. „Da liegt es nahe, dass die Tumorzellen Botschaften aussenden, die das Gewebe in Gehirn und Lunge quasi vorbereiten, damit sich abgesiedelte Melanomzellen dort gut niederlassen können.“ Neta Erez hat mit ihrem Team in Tel Aviv festgestellt, dass sich bei Mäusen mit Melanomen bestimmte Zellen im Gehirn, die sogenannten Astrozyten, verändern. Diese Zellen haben unter anderem die Aufgabe, Kontakt zwischen Blutgefäßen und Nervenzellen herzustellen und diese so zu ernähren. Außerdem sind sie an Reparaturprozessen im Gehirn beteiligt. Und genau diese Astrozyten sind bei Nagern mit schwarzem Hautkrebs aktiviert, gerade so, als gelte es einen Schaden im Gehirngewebe zu reparieren. „Das erleichtert es Melanomzellen, die ins Gehirn gelangen, sich dort anzusiedeln und zu vermehren“, sagt Erez. Doch wie gelangt die Botschaft der Melanome ins Gehirn? Für die Wissenschaftler liegt es nahe, dass hier wieder miRNAs eine Rolle spielen könnten. Und möglicherweise reist die Botschaft in Vesikel verpackt durch den Körper, da diese Schutz bieten und die miRNAs dadurch stabil und sicher ans Ziel gelangen. „Wir haben in der Gehirnflüssigkeit der Mäuse vermehrt extrazelluläre Vesikel entdeckt“, sagt Erez. „Und jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was ist da drin?“ Erez nahm Kontakt zum DKFZ auf. „Wir brauchen ein Profil der Exosomen und ihres Inhalts, und Jörg Hoheisel hat dafür die passende Expertise“, sagt sie. Auch Carmit Levy ist mit ihrem Wissen über Zellkommunikation mit von der Partie. Gemeinsam macht sich das deutsch-israelische Forschertrio nun daran, nach den Botschaften zu fahnden, die maligne Melanome durch den Körper senden, um das Gehirn darauf vorzubereiten, abgesiedelte Krebszellen aufzunehmen. Die Hoffnung ist, zu verstehen, warum der schwarze Hautkrebs ausgerechnet Metastasen in Gehirn und Lunge bildet – und letztlich einen weiteren Hebel zu finden, um die aggressiven Haut tumoren künftig besser behandeln zu können.

 

//Stefanie Reinberger

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