Mit guten Viren und schnellen Schritten
Unter den aktuell etwa 500 Doktorandinnen und Doktoranden im DKFZ stammt mehr als die Hälfte aus dem Ausland. Robin Njenga ist eine von ihnen. Die Kenianerin kam im Jahr 2010 für ihr Bachelorstudium nach Bremen, ging dann für den Master an die Uni Heidelberg und bewarb sich schließlich erfolgreich für eine Promotion im DKFZ.
Du hast dich entschieden, im DKFZ zu promovieren. Was waren dafür die wichtigsten Gründe?
Ich kannte das DKFZ schon durch einige Praktika während des Masterstudiums an der Universität Heidelberg und habe dann auch meine Masterarbeit im DKFZ gemacht. Dadurch wusste ich zum Beispiel schon, dass die Ausstattung hier hervorragend ist. In der Zeit habe ich dann über verschiedene Veranstaltungen die „PhD Community“ im DKFZ kennengelernt. Die gefiel mir wirklich gut. Und beides zusammen, also die Möglichkeiten, die man hier im DKFZ hat, und die Community, hat mich dann überzeugt.
Woran forschst du für deine Doktorarbeit?
Ich arbeite mit einem Virus, dem Adeno-assoziierten Virus 2. Das ist ein „gutes“ Virus, denn es verursacht beim Menschen keine Krankheit und man hofft, es zukünftig für Gentherapien nutzen zu können. Wenn jemand an einer Krankheit leidet, die durch einen bestimmten Gendefekt verursacht wird, könnte man mithilfe des Virus dann eine intakte Kopie des Gens ins Erbgut einbauen. Es gibt zum Beispiel Ansätze, um in Zukunft Patienten mit der Bluterkrankheit auf diese Weise zu behandeln, und auch in der Krebstherapie soll das Virus zum Einsatz kommen. Man versteht aber noch nicht im Detail, wie das Virus genau funktioniert. Ich versuche deshalb herauszufinden, was genau mit dem Virus passiert, sobald es in die Zelle gelangt, mit welchen Partnern es interagiert und wie die Folgen dieser Interaktion aussehen.
Du kennst die Helmholtz International Graduate School for Cancer Research inzwischen sehr gut. Kannst du kurz beschreiben, was das internationale Promotionsprogramm des DKFZ ausmacht?
Das Schöne an dem Programm ist, dass es deinen Horizont als Wissenschaftlerin erweitert und dir bei ganz unterschiedlichen Dingen, die die Doktorarbeit betreffen, weiterhilft. Zu Beginn meiner Promotion habe ich von den Anforderungen erfahren und war etwas skeptisch, ob ich das schaffen würde. Aber man sieht dann, dass es doch möglich ist, und lernt, dass all die verschiedenen Kurse, Posterpräsentationen und Konferenzen, an denen man teilnimmt, wirklich gut sind, weil sie dir die Möglichkeit geben, so viel Verschiedenes kennenzulernen. Man kann aus einer ganzen Reihe von wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen Kursen auswählen und dadurch Techniken lernen, die man für die praktische Arbeit im Labor braucht, aber auch ganz andere Kurse belegen, wie zum Beispiel Zeitmanagement. Und es gibt auch Raum, um etwas auszuprobieren: Ich selbst habe unter anderem Schülerinnen und Schüler im Heidelberger Life-Science Lab betreut. Das hat wirklich Spaß gemacht.
Du lebst jetzt seit acht Jahren in Deutschland. Hast du schon irgendwelche deutschen Eigenschaften an dir entdeckt?
Ja, definitiv. Mein Verhältnis zur Zeit hat sich auf jeden Fall verändert. Zeit ist in Deutschland eine viel wichtigere Kategorie als in Kenia. Wenn man hier 15 Minuten zu spät kommt, ist der Termin eventuell schon vorbei. Eine andere Sache ist das Gehtempo. Ich gehe jetzt im Alltag schneller. Als mich meine Schwester besuchte, hat sie sich schon beschwert, dass ich immer so renne. Ich bin auch etwas direkter geworden. In Kenia ist Höflichkeit sehr wichtig, aber inzwischen rede ich wohl nicht mehr so sehr um den heißen Brei herum. Und noch etwas: Meine fahrerischen Fähigkeiten auf dem Rad haben sich dramatisch verbessert! Was ich jetzt alles auf dem Fahrrad transportieren kann…
Wie regelmäßig hast du in den letzten Jahren deine Familie gesehen?
Ich bin jedes Jahr zu Weihnachten nach Hause gefahren – auch um dem Winter ein bisschen zu entfliehen. Meine Eltern und meine Schwester haben mich einige Male in Deutschland besucht. Aber nur im Sommer! Als ich meiner Mutter erzählte, dass ich wahrscheinlich nächstes Jahr zwischen September und Dezember meinen Doktortitel verliehen bekomme, sagte sie: „Du möchtest also, dass wir im Winter nach Deutschland kommen?“ (lacht)
Gibt es Dinge, die du in Deutschland vermisst?
Ja, sicher. Eine Sache, die vielleicht unbedeutend scheint: Kenianer machen bei jeder Gelegenheit Smalltalk. Egal, ob im Bus oder im Supermarkt – jemand, der zufällig vorbeikommt, spricht mit dir über irgendetwas. Das fehlt mir hier. Meine Freunde in Kenia sagen, dass ich das überkompensiere, wenn ich zuhause bin. Manchmal vermisse ich auch meine Familie, aber übers Internet ist man ja jederzeit verbunden. Im Winter vermisse ich natürlich die Sonne, aber ich muss sagen, dass mir die Jahreszeiten wirklich gut gefallen. In Kenia gibt es nur Sonne und Regen. Der Wechsel der Farben, wenn im Frühling alles grün wird oder im Herbst rot und orange – das ist fantastisch.
Mit welchem Bild von Deutschland bist du hierhergekommen?
Um ehrlich zu sein, habe ich in der Schule nur etwas überdie Weltkriege erfahren. Davon abgesehen, wusste ich, dass hier schöne Autos gebaut werden und dass es das Oktoberfest gibt. Inzwischen habe ich aber die verschiedenen Regionen mit ihren Dialekten und Bräuchen kennengelernt. Zum Beispiel den Karneval in Köln, wo ich schon mehrmals war.
Wie steht es inzwischen um deine Deutschkenntnisse?
Ganz okay, denke ich, auch wenn Deutsch keine einfache Sprache ist. An der Uni oder auch im Labor reicht Englisch ja völlig aus. Deshalb habe ich die Sprache auch erst hier in Heidelberg in einer WG mit deutschen Zimmernachbarn richtig gelernt und auch durch einen Nebenjob in einem Café.
Du bist jetzt im vermutlich letzten Jahr Deiner Doktorarbeit. Weißt du schon, wie es danach weitergeht?
Forschung macht Spaß, aber es könnte sein, dass die Zeit im Labor dann vorbei ist. Ich habe mich auch noch nicht entschieden, wo es weitergehen wird – ich bin wirklich flexibel: „The world is my oyster“. Aber ich mag Deutschland. Ich bin schon lange hier und kann mir vorstellen, zu bleiben. Vielleicht gehe ich auch zurück nach Kenia. Ich könnte mit meinem Doktortitel an der Universität lehren. Ich mag es, mit Menschen zu reden, und es macht sicher Spaß, Wissen zu vermitteln.
Das Interview führten //
Alexa Rieger und Frank Bernard