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Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

„In der Wissenschaft bietet Big Data vor allem Chancen.“

Der Ethikrat hat sich mit dem Thema Big Data in der Wissenschaft beschäftigt und eine Empfehlung dazu verfasst. Ursula Klingmüller vom Deutschen Krebsforschungszentrum hat daran mitgewirkt.

© Jutta Jung

Frau Professor Klingmüller, der Ethikrat hat eine Stellungnahme zum Thema Big Data veröffentlicht, an der Sie mitgeschrieben haben. Warum ist Big Data überhaupt ein Thema für dieses Gremium?

Ursula Klingmüller: Die Fragen, die beim Sammeln großer Datenmengen auftreten, sind ethisch sehr vielfältig. Wir haben uns dabei auf die Daten beschränkt, die Bezug zu Menschen haben. Besonders wichtig war uns dabei der Bereich Gesundheit. Allein in diesem Bereich werden mittlerweile riesige Datenmengen erhoben. Denken Sie etwa an Patientenakten in Krankenhäusern oder an die Fitnessarmbänder, die viele Menschen tragen. Für den Umgang damit müssen wir unbedingt Regeln erarbeiten. Da müssen Aspekte wie Privatheit, Intimität, Solidarität, Eigentum oder Gerechtigkeit geregelt werden.


Haben Sie ein Beispiel für uns?

Aber sicher. Wir können Daten heute in völlig neue Kontexte stellen und auch unterschiedliche Datenquellen zusammenfügen, die unterschiedliche Standards haben. Das bringt große Herausforderungen mit sich. Weil alle Daten, die in irgendeiner Form erhoben werden, in Relation zur persönlichen Gesundheit interpretiert werden könnten, ist es prinzipiell möglich, all diese Daten auch als gesundheitsrelevant einzuschätzen. Nehmen wir zum Beispiel die Erfassung von kurzen Strecken, die mit dem Auto zurückgelegt werden. Ein solches Verhalten könnte als Hinweis auf einen bewegungsarmen Lebensstil, mögliches Übergewicht und damit ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Probleme interpretiert werden. Dadurch könnten Menschen zum Beispiel diskriminiert oder stigmatisiert werden. Versicherungen etwa könnten diese Daten nutzen, um Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen aus einer Krankenversicherung auszuschließen oder sie in schlechtere Tarife einzustufen.


Und was bedeutet Big Data für den wissenschaftlichen Bereich?

In der Wissenschaft sehe ich vor allem Chancen. Zentrale Akteure sind hier Forschungsinstitutionen und deren Mitarbeiter, aber auch Probanden und Patienten. Die Arbeit mit großen Datenmengen erfolgt in der Forschung in der Regel nach hohen und gut kontrollierbaren Standards der Erhebung, Verwendung und Sicherheit von Daten und häufig institutionenübergreifend. Dort macht man sich die neuen technischen und infrastrukturellen Möglichkeiten von Big Data zunutze und vernetzt sich. Das sind Chancen, die man nicht verkennen darf.


Wie sieht das konkret aus?

Die Chancen bestehen darin, dass wir große Datensätze vergleichen und dadurch Muster erkennen können, etwa bei Patienten, deren Erkrankung auf bestimmte Therapien anspricht. Für Menschen mit seltenen Erkrankungen ist es besonders hilfreich, Daten aus verschiedenen Institutionen zusammenzufassen, weil erst durch die Vernetzung ausreichend große und aussagekräftige Gruppen untersucht werden können und damit die Möglichkeit entsteht, vielversprechende Therapien zu identifizieren.

 

Reichen unsere derzeitigen Datenschutzregeln?

Unsere derzeit geltenden Datenschutzregelungen sind extrem starr und auf Datensparsamkeit fokussiert. Im Rahmen von Big Data gibt es nun aber ganz neue Verbindungs- und Verknüpfungsmöglichkeiten, mit denen wir neue Informationen gewinnen. Da müssen wir Parameter betrachten, die neue Herausforderungen mit sich bringen. Im Moment ist es zum Beispiel noch unklar, wer dafür haftet, wenn ein Patient aufgrund eines Algorithmus falsch behandelt wird. Eine andere Frage ist, wem die Daten eigentlich gehören. Wer kann darüber bestimmen, dass Daten genutzt werden? Daten sind aber keine Sachen, die man abgrenzen kann, sodass der Begriff Eigentum aus juristischer Sicht hier nicht zutreffend ist und man höchstens von eigentumsanalogen Verhältnissen sprechen kann. Für uns als Wissenschaftler ist es jedoch wichtig zu wissen, wer welche Daten wie nutzen darf. Das ist auch für Patienten wichtig zu wissen. Denn sie wollen ihre Daten vielleicht nicht oder nur eingeschränkt freigeben oder sie im Gegenteil gern spenden, also sie der Wissenschaft ohne Einschränkung frei zugänglich machen. Diese Möglichkeiten sind im Moment nicht wirklich gesichert.


Wie konkret ist die Stellungnahme des Ethikrats geworden?

Das sind sehr umfangreiche Empfehlungen geworden, die Wissenschaftlern und Unternehmen konkrete Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Daten bieten. Wir wollen darauf hinwirken, dass die Qualität der Daten gesichert wird und auch die Qualität der Algorithmen, mit denen die Daten ausgewertet werden. Big Data ist ein sehr dynamischer Prozess, der in Kontrast steht zu den sehr statischen Vorschriften, die wir derzeit haben.


Welche Schlüsse zieht der Ethikrat für die Ausbildung von Wissenschaftlern?

Wir möchten mit dieser Stellungnahme darauf hinweisen, dass man das Thema digitale Kompetenz sehr früh in die Ausbildung, also etwa in Schulen, in Studiengänge und in die Ausbildung von Pflegekräften einbringen muss. Ebenso ist es wichtig, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Viele Menschen wissen ja gar nicht, was man gerade im Bereich der Wearables alles mit ihren Daten machen kann und welche Möglichkeiten sie haben, ihre Daten zurückzurufen.


Welche Probleme tauchen denn in Ihrer eigenen Arbeit als Systembiologin in Bezug auf Big Data auf?

In meinem Bereich der Systembiologie ist es zurzeit noch ein Problem, überhaupt große Datenmengen sammeln zu können. Ich bin zum Beispiel damit konfrontiert, dass es in den verschiedenen Bundesländern und natürlich auch international unterschiedliche Datenschutzrichtlinien gibt. Für uns ist es eher schwierig, Daten so zusammenzubringen, dass man überhaupt von Big Data sprechen kann, also ausreichend Zugang zu Daten zu bekommen.


Gibt der Ethikrat Empfehlungen für den Umgang mit international unterschiedlichen Sicherheits- und Datenschutzregelungen?

Ja, genau das haben wir in der Empfehlung adressiert. Wir meinen, dass man im Bereich der Datensicherheit und des Datenschutzes eine europäische oder besser noch eine globale Lösung anstreben sollte.


Was erhoffen Sie sich als nächsten Schritt von der Politik?

Ich wünsche mir, dass unsere Regierung es besser ermöglicht, Big Data sammeln zu können – natürlich in einer Form, die die Datensouveränität für die Bürger gewährleistet und den Missbrauch der Daten minimiert. Dafür müssten erst einmal entsprechende infrastrukturelle Voraussetzungen geschaffen werden. Zudem benötigen wir rechtliche Rahmenbedingungen, die besser an die Datennutzung zu Forschungszwecken angepasst sind. Nur so können wir qualitativ hochwertige Datensammlungen anlegen, die die Wissenschaft heute braucht, um für die Patienten den größtmöglichen Nutzen zu erzielen.

 

Das Interview führten // Ulrike Grönefeld und Roland Koch

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