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Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Zwischen Labor und Krankenbett

Kann man gleichzeitig Wissenschaftler und Mediziner sein? „Clinician Scientists“ beweisen, dass das möglich ist. Die forschenden Ärzte tragen mit ihrer doppelten Expertise dazu bei, vielversprechende Forschungsansätze schneller für die Patienten verfügbar zu machen. einblick stellt zwei Mediziner vor, die sich sowohl für den Arztberuf als auch für die Forschung entschieden haben.

© DKFZ/ Jutta Jung

Wir verstehen immer besser, wie Krebs entsteht und sich ausbreitet“, sagt Nadja Ebert und fügt hinzu: „Diese Erkenntnisse sollen aber nicht im Labor bleiben, sondern den Patienten nutzen.“ Ebert behandelt als Fachärztin für Strahlentherapie Patienten am Heidelberger Universitätsklinikum und forscht zudem in einem Labor des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Als Clinician Scientist hat sie sich für einen besonderen Karriereweg entschieden. Ihr Arbeitsplatz ist nicht allein das Krankenzimmer oder der Bestrahlungsraum, sondern vor allem auch das Labor. Von dort möchten forschende Ärzte in Zusammenarbeit mit Experten aus anderen Disziplinen das Wissen, das aus den Experimenten resultiert, möglichst schnell in neue Therapien einfließen lassen. „Wir sind translational aufgestellt“, erklärt Ebert. „Wir tragen dazu bei, eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und Klinik zu bilden.“

Die 32-jährige Ärztin verknüpft Klinikbetrieb und Forschung, indem sie bei zwei Arbeitgebern tätig ist. Seit Ende letzten Jahres verbringt sie vertragsgemäß 80 Prozent ihrer Arbeitszeit im DKFZ in der Abteilung Radioonkologie/Radiobiologie und die restlichen 20 Prozent in der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Uniklinikum. Es sind jedoch viele unterschiedliche Zeitmodelle bei Clinician Scientists möglich. „Manche Kollegen teilen die Zeit auch 50:50 auf“, beschreibt Ebert.

Auch Stefan Gröschel ist forschender Arzt. Wie Ebert ist der Facharzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie sowohl am Universitätsklinikum Heidelberg als auch am DKFZ tätig, wo er die Arbeitsgruppe Molekulare Leukämogenese leitet. Dass der Mediziner ein eigenes Team für seine Forschung aufbauen konnte, machte insbesondere ein Stipendium des Europäischen Forschungsrats ERC möglich. In der Wissenschaft ist der Weg in dieser frühen Phase der Karriere oft steinig und kaum zu planen. Viele Mediziner entscheiden sich deshalb für eine Route, die sie schnell aus dem universitären Umfeld herausführt und räumen der Forschung dabei nur den Raum ein, der für ihre Doktorarbeit oder eine Habilitation notwendig ist.

Sein Standbein in der Klinik sieht Gröschel als großen Vorteil für seine Forschungsarbeit: „Was man im Labor verstanden hat, kann man in frühen klinischen Studien überprüfen.“ Für ihn sei es „sehr wichtig, in die klinischen
Strukturen eingebettet zu sein“. Dadurch könne er viele Projekte einfacher in die Tat umsetzen und zum Beispiel mit Kollegen des DKFZ, des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen und des Klinikums neue Therapieansätze anhand klinischer Studien überprüfen. „Für Grundlagenwissenschaftler, die nie mit dem Klinikbetrieb zu tun hatten, sind dafür die Hürden sehr hoch“, beschreibt er.

Erkenntnisse aus dem Labor helfen, neue Studien zu planen

© DKFZ/ Tobias Schwerdt

Gröschels siebenköpfige Arbeitsgruppe erforscht, durch welche Prozesse ein wichtiges Krebsgen angeschaltet wird – in der Hoffnung, dessen verhängnisvollen Einfluss unterbinden zu können. Das Gen spielt bei einer ganzen Reihe von Krebsarten eine Rolle, insbesondere bei bestimmten Formen der Leukämie und bei Eierstockkrebs. Die Brücke zwischen Krankenbett und Labor schlagen zu können, war für Gröschels Forschung eine wichtige Voraussetzung: „Grundlage meines jetzigen Projektes waren Proben, die wir von Leukämiepatienten gesammelt haben.“ Deren Analyse im Labor ergab, dass Krebsgene in vielen Fällen genetische Verstärkerelemente für sich nutzen, um ihre unheilvolle Aktivität zu erhöhen – ein jüngst entdecktes Phänomen.


Seine Kollegin Ebert vergleicht neue Therapieansätze zur Bestrahlung von Krebspatienten mit bisherigen Standardkonzepten. „Die Erkenntnisse, die wir im Labor gewinnen, helfen dabei, neue Studien für Patienten zu planen.“ Denn Studien zu neuen Behandlungskonzepten dauern lange und müssen sorgfältig geplant werden. Die Kenntnis der klinischen Situation und ihrer Herausforderungen erleichtert es Ebert, die Ergebnisse aus den Laborversuchen zu interpretieren und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ziel ist es, die Behandlung passgenauer auf den einzelnen Patienten zuzuschneiden und dabei die heute zur Verfügung stehenden medikamentösen und technischen Möglichkeiten optimal auszuschöpfen. Denn ob eine Strahlentherapie erfolgreich ist, hängt einerseits von der Tumorerkrankung ab, die sehr unterschiedliche Eigenschaften haben kann, andererseits spielt aber auch die individuelle Verfassung des Patienten eine wichtige Rolle.

Die Medizinerin untersucht insbesondere, ob sich die Wirkung einer Bestrahlung steigern lässt, wenn zugleich gezielt Medikamente verabreicht werden, die die Mechanismen der Zellreparatur beeinflussen. Dabei hat sie spezielle Stoffe im Visier, die verhindern sollen, dass sich bestrahlte Tumorzellen weiter vermehren. Denn bisher gelingt es Tumorzellen durchaus, die strahlenbedingten Schäden in ihrer Erbsubstanz zu reparieren und dadurch ihr Überleben zu sichern.

„Der Informationsfluss muss dabei in beide Richtungen gewährleistet sein“, betont Ebert „also auch vom Krankenbett wieder zurück ins Labor.“ Beobachtet man zum Beispiel, wie Patienten auf eine bestimmte Behandlung ansprechen, kann man dann im Labor untersuchen, welche biologischen Mechanismen dahinterstehen.

Für ihre Arbeit als Forscherin empfindet es Ebert als Bereicherung, dass heute „die Arbeitsgruppen breiter aufgestellt sind“ und die Strahlentherapeuten dadurch enger mit Chemikern, Biologen, Physikern und Informatikern zusammenarbeiten. Noch zwei Jahre wird Nadja Ebert in Heidelberg bleiben und dann in ihre alte Heimat Dresden zurückkehren. Dann werde sie wieder mehr in der Klinik arbeiten, sich aber natürlich auch weiterhin der Forschung widmen. Auch Stefan Gröschel wird weiterhin regelmäßig zwischen Arzt- und Laborkittel wechseln. Für ihn stehe fest, dass er „nie seinen Arztberuf an den Nagel hängen möchte.“ Dabei gleichzeitig eine wissenschaftliche Karriere verfolgen zu können, mache seinen Beruf noch interessanter und vielseitiger. Wie es nach Ablauf der ERC-Förderung weitergehe, hänge entscheidend von den erzielten Erfolgen seiner Arbeitsgruppe ab, so Gröschel.

Im Gegensatz zu angelsächsischen Ländern mangelt es in Deutschland häufig noch an den nötigen Strukturen für Clinician Scientists. Die forschenden Ärzte handeln ihre Arbeitszeiten und -bedingungen meist in individuellen Absprachen aus.

Geschützte Zeiten

© DKFZ/ Jutta Jung

Der 38-jährige Gröschel weist darauf hin, dass man für den Spagat zwischen Labor und Klinik derzeit durchaus Nachteile in Kauf nehmen müsse: Ein Mediziner, der einen großen Teil seiner Zeit der Forschung widme, trage etwa das Risiko, später als seine Kollegen Facharzt zu werden, erst mit Ende 30 vielleicht. „Um das Berufsfeld attraktiv zu machen, ist es deshalb besonders wichtig, den forschenden Ärzten eine Karriereperspektive zu geben“, sagt Gröschel. Wichtig sei auch, dass der medizinische Nachwuchs geschützte Zeiten für die Forschung erhalte. Da ein Arzt, der im Labor arbeitet, dann nicht für die Krankenversorgung zur Verfügung steht, tun sich manche Kliniken schwer damit, entsprechende Freiräume zu schaffen.

Dass hier Handlungsbedarf besteht, haben das DKFZ und die Helmholtz-Gemeinschaft bereits früh erkannt. Inzwischen befinden sich vielerorts Förderprogramme für Clinician Scientists im Aufbau, teils mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die Programme sollen zukünftig dazu beitragen, mehr junge Ärztinnen und Ärzte für die Forschung zu begeistern. Denn unbestritten ist der Bedarf an Medizinern mit einem Standbein in der Wissenschaft groß. // Ulrike Roll

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