Der lange Weg zum Medikament
Welche Schwachstellen haben Tumoren? In den 80er Jahren entdeckte Peter Krammer im DKFZ, dass Krebszellen auf ihrer Oberfläche den sogenannten Todesrezeptor tragen. Er sollte das Ziel einer neuen Therapie werden. Doch es zeigte sich bald: Der Weg vom Labor in die Klinik verläuft nicht immer geradlinig und erfordert mitunter einen langen Atem.
1980er - Die Idee
Peter Krammer und seine Abteilung im DKFZ möchten mithilfe von Antikörpern das übermäßige Wachstum von Tumoren bremsen. Die Antikörper sollen gezielt Signalstoffe abfangen, mit denen die Tumoren ihr eigenes Wachstum anregen. Die Forscher stellen insgesamt über 25.000 verschiedene Antikörper her und testen diese an Krebszellen.
1987 - Der "Todesrezeptor"
Nach unzähligen Tests finden die Forscher einen Antikörper, der die Krebszellen absterben lässt. Es stellt sich heraus, dass er an ein spezielles Protein auf der Oberfläche der Krebszellen bindet. Dieses wird kurz darauf als „Todesrezeptor“ berühmt. Es hat die Funktion eines Schalters, über den die programmierte Selbstzerstörung der Zelle, die Apoptose, eingeleitet werden kann.
1991 - Der Rückschlag
Nachdem es den Forschern zunächst gelungen war, krebskranke Mäuse durch die Aktivierung des Todesrezeptors zu heilen, stellt sich bei weiteren Versuchen heraus, dass der Antikörper ab einer bestimmten Dosis giftig ist. Er treibt auch gesunde Zellen in den Tod und kommt für eine Anwendung beim Menschen nicht infrage.
1995 - Die neue Idee
Die Forscher suchen nun nicht mehr nach einem Wirkstoff, der den Todesrezeptor aktiviert, sondern im Gegenteil die Aktivierung unterbindet. Sie hatten die überraschende Beobachtung gemacht, dass das Todessignal auf manche Tumoren sogar wachstumsfördernd wirkt. Ein Medikament, das den Signalweg unterbricht, könnte gegen diese Tumoren wirksam sein.
2000 - Die Firma
Um einen potentiellen Wirkstoff zur Marktreife bringen zu können, gründen Peter Krammer und sein Kollege Henning Walczak gemeinsam mit dem DKFZ die Biotech-Firma „Apogenix Biotechnology“.
2004 - Die Insolvenz
Einen Wirkstoffkandidaten so weit zu entwickeln, dass er Patienten verabreicht werden kann, kostet viele Millionen Euro. Um die Jahrtausendwende geht es der Biotech-Branche weltweit schlecht, und es gelingt nicht, neue Investoren zu gewinnen. Die Firma geht in die Insolvenz.
2005 - Die Neugründung
Dietmar Hopp, Mitbegründer von SAP, glaubt an die Idee der Wissenschaftler und des neuen Management-Teams und investiert in die neugegründete Firma „Apogenix“. Der Wirkstoffkandidat wird weiterentwickelt und erhält den Namen APG101. Es handelt sich dabei um ein Fusionsprotein, das die Aktivierung des Todesrezeptors verhindert.
2014 - Klinische Studien
In Phasen I und II hat sich gezeigt, dass APG101 sicher und gut verträglich ist und gegen das Glioblastom, den bösartigsten Hirntumor, wirkt. Dabei inhibiert es zum einen die Apoptose von Immunzellen, und zum anderen das invasive Wachstum des Tumors.
2016 - Das zweite Anwendungsgebiet
Apogenix kann belegen, dass APG101 auch gegen das myelodysplastische Syndrom (MDS) wirkt. Diese Erkrankung des Knochenmarks führt zu schwerer Blutarmut und kann von lebensbedrohlichen Infektionen begleitet sein. Der Wirkstoff verhindert, dass die Apoptose von blutbildenden Stammzellen ausgelöst wird. In einer klinischen Studie der Phase I benötigten viele Patienten nach der Behandlung mit APG101 deutlich seltener Bluttransfusionen.
2017 - Der weitere Weg zur Zulassung
Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) den PRIME-Status für APG101 zur Behandlung des Glioblastoms. Patienten sollen dadurch so früh wie möglich von einer Therapie profitieren können, die ihre Lebensqualität deutlich verbessert. Apogenix arbeitet eng mit der Behörde an dem Weg zur Zulassung des Wirkstoffs sowie am Design weiterer Studien mit APG101 im Glioblastom.
Der Technologietransfer
Die Stabsstelle Technologietransfer des DKFZ unterstützt Wissenschaftler dabei, neue Produkte auf den Markt zu bringen. Sie hilft ihnen, ihre Ideen und Innovationen zu schützen und zu verwerten. Bei der Ausgründung von Unternehmen aus dem DKFZ ist sie maßgeblich beteiligt und stellt außerdem sicher, dass Erlöse aus der erfolgreichen wirtschaftlichen Verwertung zurück in die Krebsforschung fließen.