Moderne Strahlentherapie - So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Die Strahlentherapie gehört zu den wichtigsten Behandlungsmethoden bei Krebs. Um die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten, arbeiten die Wissenschaftler am DKTK-Partnerstandort Dresden daran, jeden Patienten mit einer besonders schonenden, aber dennoch hoch effektiven Strahlentherapie zu behandeln.
Dresden steht für Frauenkirche und barocke Denkmäler. Das Nationale Zentrum für Strahlenforschung in der Onkologie „OncoRay“ bietet daher einen für die Stadt eher untypischen Anblick: In dem minimalistischen Flachbau forschen rund 80 Wissenschaftler und Ärzte des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf, der TU Dresden und des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden an einer verbesserten Strahlentherapie bei Krebs. Dafür steht ihnen unter anderem die einzige Protonentherapieanlage Sachsens zur Verfügung. Das relativ junge Verfahren erschließt eine neue Dimension für die Präzisionsstrahlentherapie: Krebszellen können sehr präzise bestrahlt werden, während das umliegende gesunde Gewebe geschont wird.
Dresden gehört zu den stärksten deutschen Zentren für Strahlentherapie und Strahlenforschung und qualifizierte sich im Jahr 2012 als Partner für die klinisch-orientierte Krebsforschung im DKTK. „Wir sind täglich damit beschäftigt, die Protonentherapie zu verbessern“, sagt Mechthild Krause, Sprecherin des DKTK Standorts Dresden und Direktorin des OncoRay-Zentrums. „Die größte technische Herausforderung ist es dabei, die Bestrahlung noch weiter zu präzisieren, sie punktgenau auf die Tumorzellen zu fixieren.“
Biomarker helfen, die richtige Strahlendosis zu finden
Außerdem suchen die Mitarbeiter des DKTK Standorts Dresden nach sogenannten Biomarkern. Mechthild Krause erklärt: „Biomarker sind bestimmte Moleküle, Gene oder andere Merkmale im Körper des Patienten, zum Beispiel im Blut, anhand derer wir vorhersagen können, wie gut er auf eine bestimmte Strahlentherapie ansprechen wird.“ Ziel ist es, den Patienten mit der genau passenden Therapie zu behandeln, um die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten. Eine erste Studie gab es hierzu bereits für Kopf-Hals-Tumoren. „Hier konnten wir schon einige vielversprechende Biomarker ausfindig machen“, so Krause.
Kopf-Hals-Tumoren sind bei zahlreichen Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits zu groß für eine Operation. Selbst wenn eine Operation möglich ist, schließt sich meist eine Radio-Chemotherapie an. „Bei dieser Therapiekombination ist das Risiko für chronische Nebenwirkungen recht groß und die optimale Strahlendosis besonders wichtig“, erklärt die Krebsforscherin.
Wie an allen DKTK Partnerstandorten sind Forschung und klinische Behandlung in Dresden eng miteinander verbunden. Offene Fragen oder Probleme bei der Behandlung von Patienten übermitteln die Ärzte auf direktem Weg an ihre Kollegen im Labor. So kann der klinische Einsatz unterschiedlicher strahlentherapeutischer Methoden fortwährend verbessert werden.
„Die Protonentherapie hat beispielsweise den Vorteil, dass der Strahl den Patienten nicht völlig durchdringt wie bei der Photonentherapie, sondern hinter dem zu bestrahlenden Tumorgewebe stoppt“, erläutert Mechthild Krause. Weil das gesunde Gewebe kaum bestrahlt wird, kann diese Art der Bestrahlung bei manchen Tumoren vorteilhaft sein. Ob sie tatsächlich auch mit weniger Nebenwirkungen für den Patienten verbunden ist, testen Krause und ihre Kollegen derzeit in Studien für verschiedene Tumorarten.
Besonders Kinder profitieren von der Protonentherapie
„Wir wissen heute schon, dass gerade Kinder mit Hirntumoren besonders von der Protonenbestrahlung profitieren“, sagt die Wissenschaftlerin. Warum das so ist, leuchtet unmittelbar ein: „Das kindliche Gehirn befindet sich noch in der Entwicklung. Je weniger gesundes Gewebe bestrahlt und geschädigt wird, desto weniger belastend ist das für das Kind.“ Auch bei Tumoren, die an der Schädelbasis liegen, ihren Ursprung im Knorpelgewebe haben und eine sehr hohe Strahlendosis benötigen, sei die Protonenbestrahlung besonders schonend. „Bei beweglichen Tumoren, wie etwa Lungentumoren, die ihre Lage durch die Atmung stark verändern, sind jedoch noch physikalische Studien notwendig, um den Tumor mit der Strahlentherapie zielgenau zu treffen“, erklärt Krause. „Welche Art der Bestrahlung am geeignetsten für einen Patienten ist, müssen wir daher von Fall zu Fall individuell entscheiden.“
Um solche Entscheidungen zu treffen, greifen die Wissenschaftler am DKTK Standort Dresden auf ihre RadPlanBio Datenbank zurück. Hier sammeln die Forscher Patientendaten aus ihren Studien. Dazu gehören neben den Bestrahlungsplänen auch diagnostische Bilder, zum Beispiel aus einer Computertomographie oder MRT-Aufnahmen. „Die Bilder helfen uns herauszufinden, ob wir den Tumor in der richtigen Dosis und an der richtigen Stelle bestrahlt haben. In Kombination mit vorhandenen oder nicht vorhandenen Biomarkern können wir aus diesen Daten Rückschlüsse für zukünftige Bestrahlungen ziehen“, so Krause. Zur RadPlanBio Datenbank tragen alle Forschungsstandorte des DKTK bei. Mechthild Krause ist überzeugt: „Von diesem Datenaustausch profitieren am Ende die Patienten.“
// Sonja Schmitzer