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Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Teamwork der Tumorzellen

Alle für einen und einer für alle

Camillo Golgi, der berühmte italienische Zellbiologe und Nobelpreisträger des Jahres 1906, nutzte seine Rede vor der Festgesellschaft in Stockholm für etwas Unerhörtes: Er widersprach vehement den Ansichten des zweiten Laureaten Santiago Ramón y Cajal. Während dieser den Standpunkt vertrat, das Gehirn bestehe aus einzelnen autonomen Nervenzellen, behauptete Golgi, die Zellen seien wie die Fäden eines Spinnennetzes durchgängig miteinander verbunden. Nur dadurch ließen sich die komplexen Funktionen des Gehirns erklären. Durchgesetzt hat sich letztlich Cajals Theorie – sie gilt bis heute als Grundidee, wie das Nervensystem arbeitet. Doch auch über 100 Jahre nach dem Streit hält das Gehirn noch Überraschungen für die Wissenschaftler bereit. Immer wieder entdecken sie neue, bislang unbekannte Strukturen und Arbeitsweisen seiner Zellen.

Zu den jüngsten Neuentdeckungen zählen filigrane Röhrchen, sogenannte Mikro-Röhren, die im Gehirn eine Zelle mit der anderen verbinden können. Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums und des Heidelberger Universitätsklinikums haben die extrem dünnen, aber bis zu einem halben Millimeter langen Fortsätze der Zellmembran bei bestimmten Hirntumorzellen mit modernsten Methoden der Mikroskopie entdeckt.

„Die Fortsätze gleichen langen Tentakeln, mit denen die Zellen ständig ihre Umgebung abtasten“, erklärt Frank Winkler, Leiter der unlängst im renommierten Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlichten Forschungsarbeit. Die Krebszellen nehmen so Kontakt mit anderen Krebszellen auf und schließen sich über weite Strecken hinweg zu einem komplexen Netzwerk zusammen, das das gesunde Hirngewebe wie ein Pilzmyzel durchdringt. Vieles daran erinnert an die Art und Weise, wie sich Nervenzellen im Embryo zum Gehirn zusammenschließen. Was letztlich entstünde, sei ein Organ im Organ: „Es sieht aus wie die Neubildung eines zweiten Gehirns im bestehenden Gehirn“, beschreibt Winkler.

Winzige Kommunikationskanäle erhalten das Tumorzell- Netzwerk am Leben

© Jürgen Frey

Alle komplexen Strukturen bedürfen der Kommunikation: Ohne den Austausch von Informationen können sie sich nicht erhalten. Erstaunlich ist, welcher Kommunikationsmittel sich das Tumorzell-Netzwerk bedient, um am Leben zu bleiben. Die entarteten Zellen schicken beispielsweise Wellen von Calcium-Ionen durch die winzigen Kommunikationskanäle. Die Ionen und ihre Intensität wirken wie Signale und können Zellen beispielsweise dazu bringen, sich zu teilen oder zu vernetzen. Doch nicht nur Moleküle, auch komplette Organellen wie Mitochondrien, die maßgeblich an der Energiegewinnung einer Zelle beteiligt sind, können in den Kanälen reisen. Selbst Zellkerne mitsamt der in ihnen enthaltenen geballten Fracht der Erbinformation werden in den neu entdeckten Fortsätzen, den „Tumor-Mikro-Röhren“, über weite Distanzen transportiert.

Das erstaunliche Phänomen des Zellkern- Transfers beobachteten die Heidelberger Wissenschaftler unter anderem, als sie einzelne Hirntumorzellen mit Hilfe von Laserstrahlen massiv schädigten. Das Netzwerk der entarteten Zellen reagierte darauf innerhalb kurzer Frist mit dem Export von Zellkernen. Die in den Mikro-Röhren übermittelten Kerne traten an die Stelle der zerstörten Zellen und ließen neue Zellen entstehen. Die Informationsübermittlung stellt sicher, dass Schäden am Netzwerk umgehend repariert werden. Das könnte erklären, warum Glioblastome, die aggressivsten aller Hirntumoren, trotz intensiver Strahlen- und Chemotherapie weiter wachsen. Im Sinne von „Alle für einen und einer für alle“ profitieren vom Austausch der Informationen via Mikro-Röhren diejenigen Krebszellen, die im Netzwerk organisiert sind. Unvernetzt bleibende Tumorzellen hingegen sterben ab. Es agieren also nicht einzelne, sich unkoordiniert teilende Zellen – es agiert ein System, das auf Schäden koordiniert reagieren kann.

Was die Wissenschaftler in Experimenten mit Zellen und Untersuchungen an Tieren erkannt hatten, ergänzten sie mit der genetischen Analyse des Tumorgewebes von Patienten. Die Genanalysen zeigten, dass die Zellen des Tumor-Netzwerks molekulare Signalwege reaktivieren, die normalerweise vor allem im Embryo angelegt sind. Im heranreifenden Organismus sorgen sie dafür, dass sich Nervenzellen zu einem so gigantischen Verbund wie dem zentralen Nervensystem mit seinen schätzungsweise 30 Milliarden Zellen zusammenfügen können. Eine herausragende Rolle scheint dabei ein Protein namens GAP-43 (Growth Associated Protein 43) zu spielen, früher „Neuromodulin“ genannt, weil es mit der Wanderung von Nervenzellen und dem Auswachsen von Nervenfortsätzen in Zusammenhang gebracht wurde.

Ein lang gesuchter neuer Ansatz für eine bessere Therapie

GAP-43 scheint auch die Bildung der Tumor-Mikro- Röhren zu vermitteln. Ihren Verdacht überprüften die Heidelberger Wissenschaftler, indem sie in den Tumorzellen das für das Protein GAP-43 zuständige Gen ausschalteten. Daraufhin zeigte sich, dass sich die Tumoren weniger gut vernetzen konnten und dass sie sehr viel sensibler auf Strahlen reagierten. Umgekehrt erwies sich die übermäßige Produktion des Proteins als wichtige Voraussetzung dafür, dass sich Tumorzellen vernetzen, gesundes Hirngewebe durchdringen und der zellzerstörenden Kraft der Strahlen widerstehen. „Die Resistenz dieser Tumoren gegen alle Therapieformen ist ein enormes Problem“, erklärt Wolfgang Wick, Leiter der Klinischen Kooperationseinheit Neuroonkologie und der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. „Unsere Ergebnisse zeigen erstmals einen lang gesuchten neuen Ansatz auf, diese Resistenz zu brechen.“

Die Hoffnung der Forscher ist es nun, GAP-43 oder andere an den Signalwegen beteiligte Proteine mit geeigneten Wirkstoffen auszuschalten – und so die Kommunikation, die das Tumorzell-Netzwerk so erfolgreich macht, zu unterbrechen. Ohne die Möglichkeit, das Kommunikationsmuster des Lebens nachzuahmen und sich dieser Strukturen und Mittel zu bedienen, werden die entarteten Nervenzellen verletzbar. „Auch wenn wir mit dieser Entdeckung Hirntumorpatienten noch nicht unmittelbar helfen können“, sagt Matthias Osswald, Arzt und Erstautor der Studie, „wissen wir jetzt doch, in welche Richtung wir gehen sollten: Wir müssen die Kommunikation stören und das Netzwerk auflösen.“

Text: Claudia Eberhard-Metzger

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