Eine Bank für die Forschung
Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) hat sich das Deutsche Krebsforschungszentrum mit Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen an sieben deutschen Standorten zusammengeschlossen. In Frankfurt befindet sich das Büro der Clinical Communication Platform, kurz CCP. Von hier aus wird der Austausch klinischer Daten zwischen allen DKTK-Standorten koordiniert.

© Universitätsklinikum Frankfurt
Wer Frankfurt hört, denkt vielleicht an den internationalen Flughafen, an Bankentürme oder an die Buchmesse. Doch Frankfurt spielt auch in der Medizin vorne mit. Zum dortigen Standort des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung gehören neben der Goethe-Universität Frankfurt am Main und ihrem Klinikum auch das Georg-Speyer-Haus als Institut für Tumorbiologie und Experimentelle Therapie. Stark ist Frankfurt vor allem auf dem Gebiet der Arzneimittelentwicklung und in der Biochemie. Die Universitätsmedizin Mainz, die ebenfalls zum DKTK gehört, liefert ergänzend große Expertise im Bereich der Immuntherapie.
Besonders am Herzen liegt Hubert Serve, dem Sprecher des DKTK-Standorts Frankfurt, die Clinical Communication Platform. „Sie ist ein zentraler Teil unseres Konsortiums“, sagt der Ärztliche Direktor der Medizinischen Klinik II für Hämatologie und Onkologie, „denn sie ermöglicht uns, die Ergebnisse aus dem Labor deutlich effektiver in die klinische Praxis zu übertragen.“ Über die CCP erhalten Wissenschaftler und Ärzte des DKTK Zugang zu wichtigen Informationen von Patienten, die an einem der acht Standorte behandelt werden – nach strengen Datenschutzrichtlinien, versteht sich. Hinterlegt sind nicht nur der individuelle Krankheitsverlauf, sondern auch Informationen zu den molekularen Details des Tumors und zur Verfügbarkeit von Blut- und Gewebeproben. „Bei rund 45 000 Krebspatienten, die wir jährlich an den DKTK-Standorten behandeln, ist es natürlich eine Mammutaufgabe, sämtliche klinischen Daten verfügbar zu machen.“ Doch Serve ist fest davon überzeugt, dass sich die Mühe lohnen und das Ziel erreicht wird. „Wir werden dann in der Lage sein, über die CCP Patienten von allen Standorten zu finden, die sich für bestimmte klinische Studien eignen, zum Beispiel, um ein neues zielgerichtetes Medikament zu testen.“ Die Ärzte können auf Daten zu den getesteten molekularen Eigenschaften des Tumors zugreifen und sehen, wessen Tumor auch wirklich die relevanten Moleküle für die zielgerichtete Therapie trägt. „Doch noch wichtiger ist der umgekehrte Weg: Wir müssen die Patienten während der Studien genau beobachten und die Ergebnisse in die Forschungslandschaft zurückspielen“, betont Serve. „Das ist die reverse Translation, die Königsdisziplin!“
Das passende Medikament

© Andreas Reeg, Darmstadt
Im DKTK finden eine Reihe früher Studien mit nur wenigen Patienten statt, bei denen erst einmal die Sicherheit einer neuen Substanz getestet wird. Viele dieser Substanzen erweisen sich als nicht so gut wie erhofft und schaffen es nicht bis zur Zulassung. Aber gelegentlich kommt es vor, dass diese bei einzelnen Patienten erstaunlich gut wirken. Serve nennt ein Beispiel: „Vor ein paar Jahren hatten wir eine Patientin mit akuter lymphatischer Leukämie, die während einer solchen Studie zusätzlich zur Chemotherapie einen neuen Kinase-Hemmer bekam. Sie sprach unglaublich gut darauf an, konnte nach Hause gehen und lebt heute beschwerdefrei.“ Das Medikament gibt es mittlerweile nicht mehr, denn die Firmen interessieren sich in der Regel nicht für ein Mittel, das nur sehr selten hilft. „Wir versuchen jetzt, an unserer Patientin zu verstehen, wieso sie angesprochen hat. Denn so können wir sehr viel über die Erkrankung lernen und über neue Wege, sie zu bekämpfen.“ Wissenschaftler und Ärzte suchen deshalb systematisch nach Patienten, die ungewöhnlich gut auf eine Therapie ansprechen. Mithilfe der Clinical Communication Platform könnten sie solche Patienten ausfindig machen und in Biobanken eingelagertes Tumormaterial oder Blut anfordern und untersuchen. So tragen sie dazu bei, dass zukünftig weitere Patienten von einer innovativen Therapie profitieren können.
Es ist mit einigem Aufwand verbunden, die Daten zum Krankheitsverlauf und den molekularen Eigenschaften des Tumors sowie biochemische Messwerte nach einheitlichen Kriterien einzugeben. „Ich verstehe, dass da eine gewisse Zurückhaltung besteht“, sagt Serve, „doch so eine Datenbank wirft erst dann Früchte ab, wenn sie sehr groß ist. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Ziel gemeinsam erreichen.“ Die Bereitschaft der Patienten, ihre Daten für die Forschung zur Verfügung zu stellen, ist heute schon riesengroß. „Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Patient nicht eingewilligt hat“, erzählt Serve. Am Ende sollen es ja auch die Patienten sein, die von der Zusammenarbeit im DKTK profitieren. „Für mich ist das DKTK eine ganz tolle Einrichtung“, sagt Hubert Serve. „Hier kommen viele Leute zusammen, die gute Ideen für die Krebsmedizin weiterentwickeln möchten. Und gemeinsam ist man stärker.“ Mit einem Schmunzeln ergänzt er: „Das ist wie beim Fußball: Den kann man auch nicht alleine spielen.“
Text: Stefanie Seltmann