Medizinische „Big Data“ als Wirtschaftsgut: Entwicklung eines "Digital Twins" zur KI-unterstützten Therapie des Hochrisiko-Prostatakarzinoms
Ein Konsortium unter der Leitung der Urologischen Universitätsklinik Heidelberg, an dem auch Arbeitsgruppen aus dem DKFZ beteiligt waren, hat Anwendungen künstlicher Intelligenz (KI) für die Tumortherapie entwickelt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und der DLR-Projektträger förderten das Vorhaben mit rund 9,5 Millionen Euro und einem Investitionsvolumen von 25 Millionen Euro. Die Präsentationen der Projektergebnisse fand bei einer Abschlussveranstaltung am 29. August statt.
Mit einer großen Ergebnispräsentation am 29. August 2023 hat das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Projekt CLINIC 5.1 (Comprehensive Lifesciences Neural Information Computing) seinen Abschluss gefunden. Die groß angelegten Konsortialprojekte OP 4.1 und CLINIC 5.1 unter Federführung der Urologischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und dem DLR Projektträger mit rund 25 Millionen Euro im Rahmen des Programms „Entwicklung digitaler Technologien" gefördert. Die präsentierten Ergebnisse reichten von Möglichkeiten zur Verbesserung der personalisierten Therapie durch einen digitalen Patienten-Zwilling, über eine intelligente Bilderkennung als Unterstützung während der Tumoroperation oder in der Bewertung von Tumorgewebeproben bis hin zur Nachsorge-App für Patienten mit Prostatakarzinom. Gemeinsames Ziel aller Teilprojekte: Prototypen entwickeln, die einen echten Mehrwert in der Tumortherapie für die Patienten bringt und zu einem marktreifen Produkt weiterentwickelt werden können.
Gleichzeitig ist CLINIC 5.1 ein gelungenes Beispiel für die eng vernetzte und erfolgreiche Zusammenarbeit verschiedener Partner aus Forschung und Industrie. Mitglieder des Konsortiums sind neben dem UKHD die Universität Heidelberg, das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ), das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg und die Universitätsmedizin Mannheim (UMM), sowie auf industrieller Seite SAP, Siemens Healthcare, KARL STORZ, Dräger und mbits.
Die Basis für die Entwicklung innovativer Werkzeuge zur KI-basierten Entscheidungsunterstützung bilden die zum Teil seit fast 30 Jahren am UKHD erhobenen hochqualitativen Behandlungsdaten von Tumorpatientinnen und -patienten. So ermöglicht es die urologische Tumordatenbank DATA 5.0, lernende Algorithmen effizient und effektiv für alle Phasen der Diagnostik und Therapie zu trainieren.
„CLINIC 5.1 ist ein zukunftsweisendes Projekt im Sinne der digitalen, innovativen und ökonomischen Evolution der universitären translationalen Medizin. Die multilaterale Verarbeitung von primär unstrukturierten klinischen Daten zu einem KI-basierten digitalen Patienten-Zwilling hat als übergreifendes Ergebnis eine innovative Schnittmenge von ethisch-medizinischer Kompetenz, Datenschutz und wirtschaftlichem Erfolg geschaffen", fasst Konsortialleiter Markus Hohenfellner, Ärztlicher Direktor der Urologischen Klinik am UKHD, zusammen. „Im Sinne von 'Connect-the-Unconnected´ entwickelten wir gemeinsam mit unseren Partnern analog zu 'Industrie 4.0´ interaktive softwarebasierte KI-Lösungen, die in fast einzigartiger Weise u.a. Daten, Software und Hardware sowie Akademia und Industrie verknüpfen, und haben damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der akademischen Spitzenmedizin am Wissenschaftsstandort Deutschland geleistet."
So wurde innerhalb des Verbunds CLINIC 5.1 eine KI-Architektur für Digitale Zwillinge in der Medizin entwickelt, die innovative Ansätze der Interpretierbarkeit von Daten und die Integration von Leitlinien beinhaltet. "Durch die einmaligen Möglichkeiten der Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen, wie sie die Universität Heidelberg bietet, können wir völlig neue Lösungen für wichtige Probleme finden. Die Kooperation mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus der Universitätsmedizin und die Zusammenarbeit mit Partnern der Industrie hat es ermöglicht, unsere komplementäre Expertise gewinnbringend für die KI-basierte Diagnose, Therapie und Nachsorge von Tumorerkrankungen einzusetzen. Dabei nutzen wir unter anderem Grundlagenerkenntnisse, die innerhalb des Exzellenzclusters STRUCTURES gewonnen wurden", konstatiert Matthias Weidemüller vom Physikalischen Institut der Universität Heidelberg.
Ein Team der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der UMM arbeitete im Teilprojekt „Bildgeführte Diagnostik und optimierte Therapieplanung des Nierenzellkarzinoms" erfolgreich an einer KI-basierten Plattformlösung, um anhand von Bilddaten die Risikostratifizierung von Nierentumoren und das Operationsrisiko, z.B. von Nachblutungen, im Vorfeld besser abschätzen zu können. „Das Nierenzellkarzinom ist eine der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland, stellt Ärzte jedoch je nach Lage und Komplexität der Tumoren vor besondere Herausforderungen in der operativen Therapieplanung. Insbesondere zentral sitzende Tumoren sind schwerer zu operieren", erklärt Dominik Nörenberg, Leitender Oberarzt der Klinik für Radiologie und Nuklearmedizin der UMM und Leiter des Teilprojekts. „Die von uns entwickelte Methodik kann zukünftig eine individualisierte und daher präzisere chirurgische Behandlungsplanung von Nierentumoren ermöglichen, die auf individuellen Tumorcharakteristika basiert." Für die Risikokalkulation kombiniert die KI Bilddaten aus der radiologischen Schnittbildgebung mit klinischen Daten.
KI-Unterstützung in der medizinischen Versorgung hat das Potential, nicht nur die Universitätsmedizin selbst sondern die medizinische Versorgung deutschlandweit weiter voranzubringen. „Clinic 5.1 liefert einen wichtigen Beitrag dazu, dass wissenschaftlich Innovationen in konkrete medizinische Anwendungen umgesetzt werden können. Computerunterstützung der Ärzte auf Grundlage hochqualitativer Daten wird helfen, die Ungleichheit bei dem Zugang zu Spitzenmedizin zu vermindern, und damit den Zugang zu hochqualitativer Medizin in der Breite zu verbessern", sagt Heinz-Peter Schlemmer, Leiter der Abteilung Radiologie am DKFZ.
Quelle: Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg
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