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Krebsüberleben hängt von der Adresse ab

Nr. 13 | 03.03.2021 | von Koh

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum und vom Hamburgischen Krebsregister haben am Beispiel Hamburg erstmals das Krebsüberleben zwischen den verschiedenen Stadtteilen einer Großstadt verglichen. Dabei fanden sie teilweise erhebliche Differenzen: Um bis zu 15 Prozentpunkte unterscheidet sich das 5-Jahres-Krebsüberleben zwischen den sozioökonomisch stärksten und schwächsten Vierteln der Hansestadt.

Beispiel Hamburg: Die Krebssterblichkeit unterscheidet sich erheblich zwischen den einzelnen Stadtteilen
© Vecteezy.com / https://www.vecteezy.com/free-vector/address

Sozioökonomische Ungleichheiten beim Krebsüberleben wurden bereits in vielen Ländern dokumentiert. Die Studien dazu basieren meist auf länderweiten Erhebungen, die die Städte als eine Einheit behandeln. „Dabei ist ein Vergleich einzelner städtischer Gebiete besonders interessant", sagt Lina Jansen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), die Erstautorin der aktuellen Arbeit. „So spielen Unterschiede bei der Erreichbarkeit medizinischer Versorgung innerhalb einer Stadt eine geringere Rolle als in Regionen, die sowohl städtische als auch ländliche Gebiete einschließen. Außerdem lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten – bei zunehmendem Trend zur Urbanisierung."

Jansen und Kollegen untersuchten dies nun am Beispiel Hamburg, der mit 1,84 Millionen Einwohnern (2018) zweitgrößten Stadt Deutschlands. Die Studie basiert auf Daten von 73.106 Patienten, die im Hamburgischen Krebsregister erfasst und zwischen 2004 und 2018 an Darm-, Lungen-, Brust- oder Prostatakrebs erkrankt waren. Für diese Patienten wurde das altersstandardisierte relative 5-Jahresüberleben ermittelt.

Um den sozioökonomischen Status der in die Studie eingeschlossenen 103 Stadtteile einzuordnen, nutzten die Epidemiologen den Hamburger Sozialindex, der Arbeitslosenquote, Anzahl der Sozialwohnungen und der Sozialhilfeempfänger, Wohnungsgröße und Haushaltseinkommen erfasst.

Über die untersuchten Krebsarten hinweg fanden die Wissenschaftler: je höher der sozioökonomische Status des Stadtteils, desto mehr Patienten überlebten die ersten fünf Jahre nach der Krebsdiagnose. So betrugen die Überlebensunterschiede zwischen den sozioökonomisch stärksten und schwächsten Stadtteilen bei Prostatakrebs 14,7 Prozentpunkte, bei Darmkrebs 10,8 Prozentpunkte, bei Brustkrebs 8 und bei Lungenkrebs schließlich noch 2,5 Prozentpunkte.

Eine der möglichen Erklärungen für diese teilweise erheblichen Differenzen könnte die unterschiedliche Wahrnehmung von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sein. Werden solche Untersuchungen nicht in Anspruch genommen, kann dies dazu führen, dass Krebserkrankungen erst in späteren Stadien entdeckt werden, was mit einer schlechteren Prognose verbunden ist.

Tatsächlich konnten Jansen und Kollegen bei Brust- und Prostatakrebs einen erheblichen Anteil der Überlebensdifferenz auf fortgeschrittenere Krebsstadien bei Diagnose zurückführen. Für Darmkrebs und Lungenkrebs galt dies allerdings nicht.

„Leider fehlt uns in Deutschland im Moment noch die Datengrundlage, um die Ursachen dieser Differenzen im Krebsüberleben genauer interpretieren zu können", erklärt Lina Jansen. Um etwa das Krebsüberleben mit bestimmten Behandlungsformen in Verbindung zu setzten, sind Daten aus der klinischen Krebsregistrierung erforderlich, die derzeit noch nicht vorliegen. Auch andere mögliche Ursachen wie sozioökonomische Unterschiede bei Lebensstilfaktoren und bei Begleiterkrankungen konnten in der Studie nicht berücksichtigt werden, sollen aber in weiteren Untersuchungen betrachtet werden.

„Unsere Ergebnisse zeigen, wie dringend weitere Analysen erforderlich sind, um die Ursachen für diese Ungleichheit besser zu verstehen. Nur so können wir gezielte Maßnahmen entwickeln, um gegenzusteuern, beispielsweise mit Programmen, die die Teilnahme an der Krebsfrüherkennung oder einen gesünderen Lebensstil fördern. Unser Ziel ist, dass in Zukunft das Krebsüberleben nicht mehr von der Adresse abhängt", sagt Studienleiter Hermann Brenner vom DKFZ.

Lina Jansen, Cynthia Erb, Alice Nennecke, Isabelle Finke, Ron Pritzkuleit, Bernd Holleczek, Hermann Brenner, for the German Cancer Survival Working Group: Socioeconomic deprivation and cancer survival in a metropolitan area: an analysis of cancer registry data from Hamburg, Germany
The Lancet Regional Health – Europe 2021, https://doi.org/10.1016/j.lanepe.2021.100063

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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