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Bauchspeicheldrüsenkrebs: Subtypen mit unterschiedlicher Aggressivität entdeckt

Nr. 63 | 15.10.2020 | von Rei

Tumoren der Bauchspeicheldrüse sind besonders gefürchtet. Sie werden meist spät entdeckt und die Sterblichkeit ist hoch. Bislang gab es kaum Ansatzpunkte für eine gezielte und personalisierte Therapie. Wissenschaftlern im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und im Heidelberger Institut für Stammzelltechnologie und Experimentelle Medizin* (HI-STEM) ist es nun erstmals gelungen, zwei unterschiedlich aggressive Subtypen des Pankreaskarzinoms zu definieren. Damit liefern sie neue Erkenntnisse zum Ursprung der Tumoren. Bei der aggressiveren Gruppe der Tumoren führt ein als „virale Mimikry" bezeichnetes Phänomen zu einer krebsfördernden Entzündungsreaktion. Auf diesen Ergebnissen könnte möglicherweise die Entwicklung gezielter, auf Subtypen ausgerichteter Therapien aufbauen.

Bauchspeicheldrüsenkrebs
© Scientific Animations Inc., Wikimedia Commons

Das Pankreaskarzinom, Krebs der Bauchspeicheldrüse, ist besonders tückisch. Die Krankheit verläuft meist über lange Zeit symptomlos und wird erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert – wenn sie nur noch schwer behandelbar ist. Die Sterblichkeit bei dieser Tumorerkrankung ist daher besonders hoch. Im Unterschied zu vielen anderen Tumorerkrankungen ist es Wissenschaftlern bislang nicht gelungen, effiziente Angriffspunkte für eine zielgerichtete personalisierte Therapie zu identifizieren. Die meisten Patienten mit einem fortgeschrittenen Tumorleiden bekommen eine ähnliche Behandlung – meist bestehend aus einer Kombinations-Chemotherapie.

Etwa 95 Prozent der Fälle von Bauchspeicheldrüsenkrebs zählen zu den so genannten Adenokarzinomen. „In der Vergangenheit gab es Versuche, genetische Unterschiede herauszuarbeiten, doch es zeigte sich, dass alle Adenokarzinome der Bauchspeicheldrüse eine ähnliche Kollektion an Mutationen tragen", erklärt Andreas Trumpp, Stammzellforscher vom DKFZ und HI-STEM. Die Wissenschaftler um Trumpp haben nun in Zusammenarbeit mit der Chirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Heidelberg einen anderen Weg gewählt. Aus Gewebeproben von Patienten isolierten sie zunächst reine Krebszellen aus den komplexen Zellgemischen der Tumoren, die große Mengen an Bindegewebe, Gefäßen und Immunzellen enthalten. Anschließend fahndeten die Forscher im Erbgut der aufgereinigten Tumorzellen nach Unterschieden im Methylierungsmuster. Dabei handelt es sich um chemische Anhängsel auf der DNA, die darüber entscheiden, ob ein Genabschnitt aktiv ist oder nicht.

„Anhand der Methylierungsmuster des Tumorerbguts konnten wir zwei völlig unterschiedliche Subtypen von Adenokarzinomen definieren, die sich im Ablauf der Krebsentstehung und in der Aggressivität unterscheiden", sagt Elisa Espinet, Erstautorin der aktuellen Publikation. Einer der beiden Subtypen ist wesentlich aggressiver und entsteht tatsächlich direkt aus den duktalen Zellen, die das Gangsystem der Bauchspeicheldrüse auskleiden, während die weniger aggressiven Tumoren aus Drüsenzellen hervorgehen. „Damit haben wir eine molekulare Signatur entdeckt, mit der sich zwei auch klinisch verschiedene Subtypen des Pankreaskarzinoms voneinander unterscheiden lassen," erklärt Espinet.

Mehr noch: Bei genauerer Analyse der Methylierungsmuster erkannten die Heidelberger-Forscher, dass bei dem aggressiveren Subtyp ganz bestimmte Regionen im Genom weniger Methylgruppen tragen. Diese Erbgutabschnitte enthielten Sequenzen so genannter endogener Retroviren, Überresten von Viren, die im Laufe der Evolution im menschlichen Genom zurückgeblieben sind. Durch die Methylierung ihrer DNA sind sie normalerweise stillgelegt und spielen bei Gesunden keine wesentliche Rolle. Bei diesem Subtyp werden sie durch die Entfernung der Methylgruppen jedoch wieder aktiv und bilden doppelsträngige RNA-Stränge.

Diese Art von RNA-Molekülen kommt normalerweise im Körper nicht vor und ist daher für das Immunsystem ein Warnsignal, dass Viren in die Zelle eingedrungen sind. In der Folge wird das Interferon-System aktiviert, das die vermeintlich eindringenden Viren zu bekämpfen versucht. Daraufhin werden in der Umgebung des Tumors auch Entzündungsbotenstoffe ausgeschüttet. „Das Vortäuschen einer Virusinfektion in genetisch veränderten Tumorzellen nennt man virale Mimikry", sagt Espinet. Im Tumor fördert die virale Mimikry bestimmte Entzündungsreaktionen, die das Krebswachstum weiter antreiben, und zudem wahrscheinlich die Metastasierung, also die Bildung der gefürchteten Tochtergeschwülste.

Virale Mimikry fanden die DKFZ-Forscher nur bei dem Subtyp duktalen Ursprungs und in Spuren auch in gesunden duktalen Zellen, nicht aber in den gesunden Drüsenzellen des Pankreas oder den Pankreaskrebszellen des weniger aggressiven Subtyps. Das erklärte, warum Pankreastumoren, die direkt aus den Zellen der Bauchspeicheldrüsengänge entstehen und die etwa ein Drittel der untersuchten Tumoren ausmachten, besonders aggressiv sind.

Gleichzeitig eröffnet das Ergebnis neue Perspektiven für eine gezieltere und personalisierte Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs. „Mit einer Blockade an verschiedenen Stellen der Interferon-Signalwege konnten wir bei Mäusen, denen menschliche Pankreaskrebszellen übertragen worden waren, das Krebswachstum deutlich bremsen. Die Regulation dieser Signale ist jedoch hoch komplex. Wir suchen nun nach Möglichkeiten, die Tumorzellen nicht nur zu bremsen, sondern tatsächlich zu beseitigen", erklärt Trumpp den weiteren Fortgang der präklinischen Forschung.

*Das Heidelberger Institut für Stammzellforschung und experimentelle Medizin (HI-STEM) gGmbH wurde 2008 als Public-Private-Partnership von DKFZ und Dietmar Hopp Stiftung gegründet

Elisa Espinet, Zuguang Gu, Charles D. Imbusch, Nathalia A. Giese, Magdalena, Büscher, Mariam Safavi, Silke Weisenburger, Corinna Klein, Vanessa Vogel, Mattia Falcone, Jacob Insua-Rodríguez, Manuel Reitberger, Vera Thiel, Steffi O. Kossi, Alexander Muckenhuber, Karnjit Sarai, Alex YL Lee, Elyne Backx, Soheila Zarei, Matthias M. Gaida, Manuel Rodríguez-Paredes, Elisa Donato, Hsi-Yu Yen, Roland Eils, Matthias Schlesner, Nicole Pfarr, Thilo Hackert, Christoph Plass, Benedikt Brors, Katja Steiger, Dieter Weichenhan, H. Efsun Arda, Ilse Rooman, Janel L. Kopp, Oliver Strobel, Wilko Weichert, Martin R. Sprick* and Andreas Trumpp*: Aggressive PDACs show hypomethylation of repetitive elements and the Execution of an intrinsic IFN program linked to a ductal Cell of origin
Cancer Discovery 2020, DOI: 10.1158/2159-8290.CD-20-1202

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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