Mit zellbasierter Medizin die Gesundheitsversorgung in Europa verbessern
Die LifeTime-Initiative, an der auch das Deutsche Krebsforschungszentrum beteiligt ist, hat eine Strategie entwickelt, um die maßgeschneiderte Behandlung in fünf großen Krankheitsfeldern voranzubringen: Krebs, neurologische, infektiöse und chronisch-entzündliche Krankheiten sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Ziel ist eine neue personalisierte Medizin in ganz Europa, die Abweichungen in einzelnen Zellen erkennt und eingreift, bevor Symptome entstehen – die Krankheit also abfängt. Sie hat das Potenzial, die Therapieergebnisse zu verbessern und die Behandlung kostengünstiger zu gestalten. Sie wird außerdem grundlegend verändern, wie eine Patientin oder ein Patient die Gesundheitsversorgung erlebt.
Um einen funktionierenden, gesunden Körper zu bilden, folgen unsere Zellen bestimmten Entwicklungspfaden, auf denen sie bestimmte Rollen im Gewebe und in Organen übernehmen. Weichen sie jedoch vom gesunden Pfad ab, verändern sich die Zellen allmählich immer mehr. Diese Veränderungen bleiben oft unentdeckt, bis Symptome auftreten. Zu diesem Zeitpunkt der Erkrankung ist eine medizinische Behandlung jedoch oft invasiv, teuer und ineffizient.
Es gibt allerdings Technologien, die die molekulare Zusammensetzung einzelner Zellen abbilden und mit denen man das Auftreten einer Krankheit oder einer Therapieresistenz deutlich früher erkennen kann. Wenn wir bahnbrechende Einzelzell- und Bildgebungsmethoden kombiniert mit künstlicher Intelligenz und personalisierten Krankheitsmodellen nutzen, können wir nicht nur den Ausbruch einer Krankheit früher vorhersagen, sondern auch die wirksamste Therapie für jede Patientin oder jeden Patienten auswählen.
Der Fokus liegt dabei auf den krankheitsauslösenden Zellen, um den Verlauf einer Krankheit rechtzeitig zu unterbrechen, bevor irreparable Schäden auftreten. Das wird die Prognose für viele Patientinnen und Patienten erheblich verbessern; in Europa können so potenziell krankheitsbedingte Kosten in Milliardenhöhe eingespart werden.
„Gerade bei der Entwicklung neuer Krebstherapien kann es entscheidend sein, eine Heterogenität und mögliche bösartige Veränderungen von Zellen frühzeitig zu erkennen", sagt Peter Lichter, der die Life Time-Beteiligungen des Deutschen Krebsforschungszentrums koordiniert.
Der Nature-Artikel „LifeTime and improving European healthcare through cell-based interceptive medicine" und die LifeTime Strategic Research Agenda (SRA) erläutern, wie diese Technologien rasch gemeinsam entwickelt, in die klinische Praxis überführt und auf die fünf wichtigsten Krankheitsbilder angewendet werden sollten. Eine enge Zusammenarbeit zwischen europäischen Infrastruktur- und Forschungseinrichtungen, Kliniken und der Industrie ist unerlässlich, um im Rahmen der LifeTime-Initiative große Mengen an medizinischen Daten über die Grenzen Europas hinweg zu generieren, auszutauschen und zu analysieren. Die Initiative befürwortet eine ethisch verantwortungsvolle Forschung zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa.
Für Nikolaus Rajewsky, wissenschaftlicher Direktor des Berliner Instituts für Medizinische Systembiologie (BIMSB) am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und Koordinator der LifeTime-Initiative, ist genau dieser Ansatz der Weg in die Zukunft: „LifeTime hat Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen zusammengebracht – von Expertinnen und Experten aus der Biologie über die Datenwissenschaft und Ingenieurskunst bis hin zu Mathematik und Physik – um die molekularen Mechanismen besser zu verstehen, die für Gesundheit und Krankheit verantwortlich sind. Mithilfe der zellbasierten Medizin können Ärztinnen und Ärzte in Zukunft Krankheiten früher diagnostizieren und behandeln, noch bevor irreparable Schäden entstehen. LifeTime bietet das einzigartige Leistungsversprechen, die Gesundheit der Patientinnen und Patienten in Europa zu verbessern."
1. Rajewsky, N. et al. LifeTime and improving European healthcare through cell-based interceptive medicine. Nature https://doi.org/10.1038/s41586-020-2715-9 (2020)
2. LifeTime Strategic Research Agenda
3. Torres-Padilla, M. E. et al. Thinking 'ethical' when designing a new biomedical research consortium. EMBO J, doi:10.15252/embj.2020105725 (2020)
Über LifeTime
Die LifeTime-Initiative ist eine stetig wachsende Community, an der über 100 führende europäische Forschungseinrichtungen und Kliniken sowie internationale Berater*innen und mehr als 80 unterstützende Unternehmen beteiligt sind. International renommierte europäische Forschungsgruppen, die Multi-Omics-Strategien, wissenschaftliche Infrastrukturen, Bio-Imaging und Computertechnologien entwickeln und im Bereich personalisierter Krankheitsmodelle führend sind, gehören zu LifeTime. Ebenso sind Bioethiker*innen und eine Kerngruppe federführender klinischer Wissenschaftler*innen Teil der Initiative. Viele der beteiligten Institutionen verfügen über eigene translationale/klinische Forschungseinrichtungen und Kliniken oder arbeiten mit solchen zusammen. So wird sichergestellt, dass LifeTime-Erkenntnisse rasch in die klinische Praxis überführt werden können.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.