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"Blitzableiter" schützt Zellen vor oxidativen Schäden

Nr. 08c | 08.02.2018 | von Eze/Koh

Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum konnten aufklären, wie der als Hustenlöser bekannte Wirkstoff Acetylcystein Zellen vor oxidativen Belastungen schützen kann: Die Substanz wird in der Zelle rasch in sogenannte Persulfide umgewandelt. Persulfide entfalten ihre zellschützende Wirkung, indem sie die Oxidation mit hoher Effizienz auf sich lenken, ähnlich wie ein Blitzableiter.

Molekülmodell des Acetylcysteins
© Tobias Dick/DKFZ

Acetylcystein ist gut bekannt als Hustenlöser, rezeptfrei erhältlich in jeder Apotheke. Weniger bekannt ist der Einsatz des Wirkstoffs als Gegengift bei der Überdosierung von Paracetamol, die zu schweren Leberschäden führen kann. Acetylcystein kann in diesem Fall das Schlimmste verhindern, wenn es rechtzeitig verabreicht wird.

Dem Acetylcystein wird allgemein eine zellschützende und antioxidative Wirkung zugeschrieben, was zahlreiche Experimente bestätigen: Acetylcystein senkt den Spiegel zelleigener Oxidantien und mildert die giftige Wirkung oxidierender Fremdstoffe. In der experimentellen biomedizinischen Forschung ist Acetylcystein deshalb eines der am häufigsten verwendeten Antioxidantien.

Wie Acetylcystein tatsächlich seine antioxidierende Wirkung entfalten kann, war jedoch bisher kaum verstanden. Die alte Annahme, dass die Wirkung von Acetylcystein auf einer direkten Reaktion mit Oxidantien beruht, hat sich nicht bestätigt. Trotz der häufigen Verwendung von Acetylcystein sind die Mechanismen hinter seiner Wirkung weitgehend im Dunkeln geblieben.

Forscher am DKFZ fanden nun eine ganz neue Erklärung für die antioxidative und zellschützende Wirkung des Acetylcysteins. Sie verfolgten den Abbau der Verbindung in menschlichen Zellen und beobachteten, dass Acetylcystein zu Schwefelwasserstoff umgesetzt wird. Schwefelwasserstoff ist bekannt als sehr giftiges Gas, doch inzwischen weiß man, dass körpereigener Schwefelwasserstoff physiologische Funktionen erfüllt.

Tatsächlich erreicht der aus Acetylcystein gebildete Schwefelwasserstoff keine giftigen Konzentrationen, denn er wird rasch in eine andere Art von Schwefelverbindung umgewandelt, in sogenannte Persulfide. Über deren Funktion in der Zelle ist bisher kaum etwas bekannt. Die Befunde der DKFZ-Forscher legen nahe, dass Persulfide die eigentlichen antioxidativen Wirkstoffe sind. So ahmte eine Behandlung von Zellen mit synthetischen Persulfiden die antioxidative Wirkung des Acetylcystein nach, und das schon bei wesentlich niedrigeren Konzentrationen. „Persulfide binden an Proteine und schützen diese, vermutlich indem sie die Oxidation auf sich lenken, ähnlich wie ein Blitzableiter", so Tobias Dick, Leiter des Studie.

„Wir verstehen jetzt viel besser, wie Acetylcystein Zellen vor oxidativen Belastungen schützen kann", sagt Daria Ezerina, Doktorandin und Erstautorin der Studie. „Man sollte daraus aber nicht ableiten, dass es eine gute Idee ist, Acetylcystein als Nahrungsergänzungsmittel dauerhaft und in hoher Dosierung einzunehmen. Denn auch Tumorzellen, die unter Stress stehen, könnten von dem Zellschutz profitieren." Schwedische Krebsforscher zeigten schon vor einigen Jahren, dass die dauerhafte Gabe von Acetylcystein bei Mäusen das Tumorwachstum und die Metastasierung fördern kann.

Ezeriņa D, Takano Y, Hanaoka K, Urano Y, Dick TP (2018) N-acetyl cysteine functions as a fast-acting antioxidant by triggering intracellular H2S and sulfane sulfur production.
Cell Chemical Biology, doi:10.1016/j.chembiol.2018.01.011

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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