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Weichmacher erhöhen das Allergierisiko von Kindern

Nr. 23c2 | 04.05.2017 | von Koh

Phthalate, die als Weichmacher in Kunststoffen eingesetzt werden, können das Allergierisiko bei Kindern deutlich erhöhen. Das konnten Wissenschaftler vom Umweltforschungszentrum Leipzig (UFZ) gemeinsam mit Kollegen vom Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und von der Universität Leipzig zeigen. Für Kinder besteht demnach ein größeres Risiko, allergisches Asthma zu entwickeln, wenn die Mutter während der Schwangerschaft und Stillzeit besonders stark durch Phthalate belastet war.

Im Rahmen der Mutter-Kind-Kohorten-Studie LINA untersuchen Wissenschaftler Lebensstil und Umweltfaktoren von Schwangeren und deren Einfluss auf das Allergierisiko von Neugeborenen.
© UFZ

Im Alltag kommen wir mit unzähligen Kunststoffen in Kontakt, die Weichmacher enthalten. Diese Weichmacher, zu denen auch die sogenannten Phthalate gehören, werden in der Kunststoffverarbeitung eingesetzt, um die Produkte geschmeidiger zu machen. Phthalate können über die Haut, die Nahrung oder die Luft in unseren Körper gelangen. „Dass Phthalate unser Hormonsystem beeinflussen und dadurch zu unerwünschten Wirkungen auf Stoffwechsel oder Fruchtbarkeit führen können, ist bekannt. Das ist aber noch nicht alles", sagt UFZ-Umweltimmunologe Dr. Tobias Polte. „Unsere aktuellen Studienergebnisse zeigen, dass Phthalate auch in das Immunsystem eingreifen und das Allergierisiko deutlich erhöhen können."

Zu Beginn der Studie untersuchte das Forscherteam den Urin von Schwangeren aus der Mutter-Kind-Kohorten-Studie LINA (Lebensstil und Umweltfaktoren und deren Einfluss auf das Neugeborenen-Allergierisiko) und fahndete nach Stoffwechselprodukten (Metaboliten) von Phthalaten. Die Höhe der gefundenen Konzentrationen setzten sie in Bezug zum Auftreten von allergischem Asthma bei den Kindern. „Es zeigte sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen erhöhten Konzentrationen des Metaboliten von Butylbenzylphthalat (BBP) im Urin der Mütter und dem Vorkommen von allergischem Asthma bei den Kindern", erklärt Dr. Irina Lehmann, die die LINA-Studie leitet.

Die Ergebnisse aus der Mutter-Kind-Kohorte konnten die Forscher in Zusammenarbeit mit Kollegen der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig an Mäusen bestätigen. Dabei wurden Mäuse während der Schwangerschaft und Stillzeit einer Phthalat-Belastung ausgesetzt, die zu vergleichbaren Urin-Konzentrationen des BBP-Metaboliten führte, wie sie auch bei hochbelasteten Müttern der LINA-Kohorte beobachtet wurden. Die Nachkommen zeigten eine deutliche Neigung zu allergischem Asthma, wobei selbst die Enkelgeneration noch betroffen war. Bei den erwachsenen Mäusen gab es dagegen keine verstärkten Allergiesymptome. „Entscheidend ist also der Zeitpunkt: Ist der Organismus während der frühen Entwicklungsphase Phthalaten ausgesetzt, kann das Auswirkungen auf das Krankheitsrisiko bis in die übernächste Generation haben", erklärt Polte. „Durch die Phthalatbelastung wird also offenbar die pränatale Prägung verändert."

Phthalate schalten regulierende Gene aus

Um herauszufinden, was genau sich verändert haben könnte, schauten sich Polte und sein Team in Zusammenarbeit mit Kollegen des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) die Gene der jungen Mäuse von belasteten Muttertieren an. Die DNA dieser Gene war – mehr als dies normalerweise der Fall ist – mit sogenannten Methylgruppen versehen. Bei dieser sogenannten epigenetischen Veränderung der DNA legen sich Methylgruppen wie eine Art Vorhängeschloss an ein Gen und verhindern, dass sein Code abgelesen und das entsprechende Protein hergestellt werden kann. Als die Forscher die Mäuse mit einer speziellen Substanz behandelten, die die Methyl-Schlösser auf den Genen knackt, zeigten die Mäuse danach geringere Anzeichen von allergischem Asthma als zuvor. Polte: „Phthalate schalten offenbar entscheidende Gene durch DNA-Methylierung aus, wodurch deren Aktivität bei den jungen Mäusen verringert ist."

Aber welche Gene führen zu allergischem Asthma, wenn sie nicht abgelesen werden können? Bei der Allergieentwicklung spielen sogenannte T-Helfer-2-Zellen eine zentrale Rolle. Sie werden durch spezielle Gegenspieler (Repressoren) reguliert. Kann ein Repressor-Gen durch blockierende Methylgruppen nicht abgelesen werden, werden die allergiefördernden T-Helfer-2-Zellen nicht mehr ausreichend gehemmt, und es kann eher eine Allergie entstehen. „Wir vermuten, dass dieser Zusammenhang für die Entwicklung eines allergischen Asthmas durch Phthalate ausschlaggebend ist", sagt Polte. „Im Zellversuch konnten wir darüber hinaus zeigen, dass sich aus Immunzellen von Nachkommen belasteter Muttermäuse verstärkt T-Helfer-2-Zellen bilden, was bei Nachkommen unbelasteter Tiere eher seltener der Fall ist. Eine erhöhte Neigung zu Allergien konnten wir so noch einmal nachweisen."

Vom Menschen zur Maus und wieder zurück

Bei Mäusen konnten die Forscher nachweisen, dass ein durch DNA-Methylierung ausgeschaltetes Repressor-Gen für die Entstehung des allergischen Asthmas verantwortlich ist. Aber spielt dieser Mechanismus auch beim Menschen eine Rolle? Um diese Frage zu beantworten zogen die Forscher noch einmal die LINA-Kohorte heran. Sie suchten bei den Kindern mit allergischem Asthma nach dem entsprechenden Gen und schauten nach Methylierungsgrad und Genaktivität. Und auch hier zeigte sich, dass das Gen durch Methylgruppen blockiert war und nicht abgelesen werden konnte. „Mithilfe unseres translationalen Studienansatzes – vom Menschen über das Mausmodell und die Zellkultur wieder zurück zum Menschen – konnten wir zeigen, dass offensichtlich epigenetische Veränderungen dafür verantwortlich sind, dass Kinder bei starker mütterlicher Phthalat-Belastung während Schwangerschaft und Stillzeit ein erhöhtes Risiko haben, ein allergisches Asthma zu entwickeln.", sagt Polte. „Ziel unserer weiteren Forschung wird es sein, zu verstehen, wie genau bestimmte Phthalate eine Methylierung von Genen hervorrufen, die für die Allergieentstehung relevant sind."

Publikation:
Susanne Jahreis, Saskia Trump, Mario Bauer, Tobias Bauer, Loreen Thürmann, Ralph Feltens, Qi Wang, Lei Gu, Konrad Grützmann, Stefan Röder, Marco Averbeck, Dieter Weichenhan, Christoph Plass, Ulrich Sack, Michael Borte, Virginie Dubourg, Gerrit, Schüürmann, Jan C. Simon, Martin von Bergen, Jörg Hackermüller, Roland Eils, Irina Lehmann, Tobias Polte (2017): Maternal phthalate exposure promotes allergic airway inflammation over two generations via epigenetic modifications, Journal of Allergy and Clinical Immunology 2017, DOI: 10.1016/j.jaci.2017.03.017

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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