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Bauchspeicheldrüsenkrebs: aggressiv von Anfang an

Nr. 21 | 01.06.2016 | von Koh

Eine microRNA unterdrückt die Fähigkeit von Krebszellen der Bauchspeicheldrüse, in umgebendes Gewebe einzuwandern und Metastasen zu streuen. Das zeigten Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum und Kollegen in einer aktuellen Arbeit. Bei Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs entdeckten die Forscher: Je weniger der microRNA im Tumor nachweisbar ist, desto ungünstiger verläuft die Erkrankung. Bereits bei einer chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse, die dem Krebs oft vorausgeht, ist der Spiegel dieser microRNA reduziert. Die Zellen sind also invasiv, noch bevor sie sich zu Krebszellen umgewandelt haben.

Bauchspeicheldrüsenkrebszelle: Der Zellkern (blau) und das Zytoskelett (rot) sind mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert.
© Quelle: Dr. Nathalia Giese, Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg.

Bauchspeicheldrüsenkrebs gilt als die Tumorerkrankung mit der niedrigsten Überlebensrate: Weniger als sieben von hundert Erkrankten überleben die ersten fünf Jahre nach der Krebsdiagose. Mediziner führen diese verheerende Prognose auf zwei Umstände zurück: Der Krebs macht sich kaum durch Symptome bemerkbar und wird daher meist erst in einem weit fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Außerdem streut er außerordentlich früh Metastasen.

„Wir gehen davon aus, dass die Fähigkeit zur Metastasierung häufig bereits vorhanden ist, bevor sich eine Zelle überhaupt in eine Krebszelle verwandelt hat“, sagt Jörg Hoheisel vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Das widerspricht der klassischen Vorstellung, dass Krebszellen erst im Laufe des Tumorwachstums durch mehrere aufeinanderfolgende Mutationen dazu in die Lage versetzt werden, sich vom Tumor zu lösen, ihr Ursprungsgewebe zu verlassen und auf Wanderschaft zu gehen.

„Um diese Hypothese zu überprüfen, haben wir in den Tumorzellen nach molekularen Veränderungen gesucht, an denen sich die Tendenz zur frühen Metastasierung festmachen lässt“, erklärt Hoheisel das Vorgehen. Seine Kollegen und er konzentrierten ihre Suche auf microRNAs. Diese nur etwa 20 Bausteine langen Moleküle steuern vielfältige Zellfunktionen. Die Forscher prüften, ob epigenetische Veränderungen – Abweichungen, die nicht die grundlegende Sequenz der menschlichen Erbsubstanz verändern – in den Zellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) auf die Produktion dieser Steuermoleküle Einfluss haben. Dazu verglichen sie Krebsgewebeproben mit normalem sowie mit chronisch entzündetem Gewebe der Bauchspeicheldrüse. Eine chronische Entzündung des Pankreas ist ein wichtiger Risikofaktor, der die Wahrscheinlichkeit, an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken, 15-fach steigert.

Tatsächlich konnte Hoheisels Team eine Reihe an microRNAs identifizieren, die von den drei verschiedenen Gewebetypen in unterschiedlichem Maße gebildet werden. Besonders auffällig darunter war miR-192, die in der gesunden Bauchspeicheldrüse reichlich vorkommt, nicht aber im entzündeten oder entarteten Gewebe. Anhand des miR-192 Spiegels der Zellen konnten die Forscher mit sehr hoher Sicherheit zwischen normalem und chronisch entzündetem Pankreas unterscheiden, ebenso zwischen gesundem Pankreas und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Keinen Unterschied im miR-192 Spiegel fanden sie dagegen zwischen chronisch entzündetem und bösartigem Gewebe, ebenso wenig zwischen den verschiedenen Tumorstadien.

Die wichtigste Beobachtung war, dass Patienten ihre Krebsdiagnose besonders lang überlebten, wenn ihre Tumoren relativ viel miR-192 produzierten. Ein niedriger miR-192-
Spiegel im Tumorgewebe ist daher ein deutlicher Marker für eine rasch fortschreitende Erkrankung. Die Forscher konnten auch das Zielmolekül von miR-192 identifizieren: Die microRNA blockiert die Produktion eines Proteins, von dem bekannt ist, dass es das Fortschreiten von Krebs fördert.

Um zu prüfen, ob ein reduzierter miR-192 Spiegel nur eine zufällige Begleiterscheinung von Krebs und Entzündung ist oder tatsächlich das Fortschreiten des Tumors beeinflusst, statteten die Forscher Pankreaskrebszelle mit zusätzlicher miR-192 aus. Dadurch reduzierten sich Teilungsrate und Invasionsfähigkeit, die Krebszellen starben durch Apoptose.

„Wir interpretieren unsere Ergebnisse so, dass bereits im entzündeten Pankreasgewebe epigenetische Veränderungen die Produktion von miR-192 drosseln. Das verleiht den Zellen die Fähigkeit zur Invasion und Metastasierung, was aber erst einmal keine Konsequenzen hat“, erklärt Jörg Hoheisel. „Die Umwandlung zur Krebszelle wird unabhängig davon durch andere Faktoren verursacht und kann sich später ereignen. Als Resultat entstehen Krebszellen, die von Anfang an dazu in der Lage sind, in umgebendes Gewebe einzuwandern und Metastasen zu streuen.“

Hoheisel und seine Mitarbeiter wollen nun prüfen, ob sich miR-192 als klinischer Marker für die Prognose von Bauspeicheldrüsenkrebs eignet und möglicherweise den Weg zu neuen therapeutischen Ansätzen oder zu Präventionsstrategien weist.

Sandeep K. Botla, Soniya Savant, Pouria Jandaghi, Andrea S. Bauer, Oliver Mücke, Evgeny A. Moskalev, John P. Neoptolemos, Eithne Costello, William Greenhalf, Aldo Scarpa, Matthias M. Gaida, Markus W. Büchler, Oliver Strobel, Thilo Hackert, Nathalia Giese, Hellmut G. Augustin and Jörg D. Hoheisel: Early epigenetic down-regulation of microRNA-192 expression promotes pancreatic cancer progression. Cancer Research 2016, DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-15-0390

Ein Bild zur Pressemitteilung steht im Internet zur Verfügung unter:
http://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2016/bilder/panc-si2-alfa-ph3-2.jpg

Bauchspeicheldrüsenkrebszelle: Der Zellkern (blau) und das Zytoskelett (rot) sind mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert. Quelle: Dr. Nathalia Giese, Chirurgische Universitätsklinik Heidelberg.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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