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Stellungnahme zu ethischen und rechtlichen Konsequenzen der Sequenzierung des menschlichen Genoms

Wissenschaftler legen aktualisierte Neuauflage vor – Vorschläge zur Balance von Patientenwohl und Forschungsfreiheit

Nr. 58c2 | 18.12.2015

Die von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen erarbeiteten „Eckpunkte für eine Heidelberger Praxis der Ganzgenomsequenzierung" sind in einer zweiten, aktualisierten Auflage erschienen. Nach ihrer Erstveröffentlichung im Jahr 2013 hatten sie maßgeblich zu einer kritischen Auseinandersetzung mit ethischen und rechtlichen Fragen zur Analyse des Erbguts sowohl in den öffentlichen Medien als auch in der akademischen Gemeinschaft beigetragen. Die Publikation, die aus dem am Marsilius-Kolleg der Universität Heidelberg angesiedelten Projekt „Ethische und rechtliche Aspekte der Totalsequenzierung des menschlichen Genoms" (EURAT) hervorgegangen ist, berücksichtigt in ihrer Neuauflage die jüngsten Entwicklungen in dieser Diskussion.

© dkfz.de

Die Nutzung neuer Sequenzierverfahren des menschlichen Genoms in der Forschung und der klinischen Praxis zur Verbesserung von Diagnosen und Therapieempfehlungen wirft zentrale ethische und rechtliche Fragen auf. Für die Forscher entstehen dabei neue Formen der Verantwortung im Umgang mit ihrem Wissen über Patienten und deren Familien. In dem gemeinsamen Projekt am Marsilius-Kolleg wurden konkrete und praxisnahe Lösungen entwickelt. Dazu gehören unter anderem Mustertexte zur Patienteninformation und zur Patienteneinwilligung sowie ein Kodex für Forscher. Dieser Kodex wurde vom Senat der Universität Heidelberg und vom Vorstand des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) angenommen und gilt damit für Forscher, die in Heidelberg im Bereich der Genomsequenzierung arbeiten.

„Mit der Neuauflage wollen wir nicht nur auf neue Entwicklungen in der ethischen und rechtlichen Diskussion hinweisen, sondern auch Möglichkeiten der Selbstregulierung von Forschungsinstitutionen aufzeigen“, betont Prof. Dr. Dr. Eva Winkler von der Medizinischen Fakultät Heidelberg, die Sprecherin des Projekts ist. Ziel von EURAT ist es, die Balance zwischen dem Patientenwohl, dem Anspruch des Patienten auf Information und Mitsprache sowie der Forschungsfreiheit und dem klinischen Fortschritt in bestmöglicher Weise zu wahren.

Die Analyse des menschlichen Erbguts in der medizinischen Diagnostik schreitet immer weiter voran und steht vor der Einführung in die klinische Routine. Damit verbindet sich die Hoffnung, dass Behandlung und Vorbeugung schwerer Erkrankungen auf genetische Merkmale der Patienten abgestimmt werden können. So konnten unter anderem für einige Krebserkrankungen bereits individuell zugeschnittene Therapien entwickelt werden. Bei der Genomsequenzierung können jedoch auch zusätzliche Informationen zu möglichen, auch erblichen Erkrankungsrisiken gefunden werden, nach denen gar nicht primär gesucht wurde. Dabei stellt sich die Frage, wie Ärzte, Wissenschaftler und Patienten mit der Verantwortung, die sich aus diesem Erkenntnisgewinn ergibt, umgehen sollen. Viele ethische und rechtliche Fragen sind noch ungeklärt.

Für ihre Stellungnahme haben die Wissenschaftler im Projekt EURAT den Ansatz gewählt, nicht nur einzelne Fragen, sondern alle zentralen Aspekte der Ganzgenomsequenzierung in den Bereichen Ethik, Recht, Forschung, Medizin und Wirtschaft zu behandeln. Neben Forscher-Kodex und Patientenaufklärungen gehören dazu beispielsweise auch der Umgang mit Zusatzbefunden, Orientierungspunkte für den Datenschutz oder die ökonomische Dimension beim Einsatz der Sequenzierungstechnologien. Die dazu formulierten Grundsätze mit Lösungsvorschlägen bilden die „Eckpunkte für eine Heidelberger Praxis der Ganzgenomsequenzierung“.

An der EURAT-Projektgruppe wirken Wissenschaftler der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Heidelberg, des DKFZ, des European Molecular Biology Laboratory (EMBL)  und des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht sowie der Universität Hannover mit. Sie bringen Expertise in den Bereichen Humangenetik, Onkologie, Pathologie, Pädiatrie, Molekularbiologie, Bioinformatik, Ethik, Recht und Gesundheitsökonomie ein.

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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