Lungenkrebs-Früherkennung: Weniger falscher Alarm ab der zweiten Screening-Runde
Mit einer großen Studie („LUSI“, Lung Cancer Screening Intervention Trial) untersuchen Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum, wie gut die Mehrschicht-Computertomographie geeignet ist, Lungenkrebs in einem sehr frühen und damit noch behandelbaren Stadium zu erkennen. Eine aktuelle Auswertung zeigt nun, dass von der zweiten Untersuchungsrunde an über 80 Prozent weniger Teilnehmer einbestellt werden müssen, um verdächtige Befunde abzuklären – die sich meist als falscher Alarm herausstellen. Wenn Früherkennung, dann hängt ihr Erfolg also davon ab, dass sie als organisiertes Screening-Programm angeboten wird.
Lungenkrebs ist die führende Krebstodesursache, da die Diagnose meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium gestellt wird. „Dadurch sterben 85 bis 90 Prozent der Patienten im Laufe von fünf Jahren nach der Diagnose“, erläutert Studienleiter Nikolaus Becker vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Wird die Erkrankung dagegen frühzeitig entdeckt, können bis zu 70 Prozent der Betroffenen mindestens fünf Jahre überleben. Mit LUSI wollen Becker und seine Kollegen die Möglichkeiten einer effektiven Früherkennung prüfen. An der Studie beteiligen sich rund 4.000 Menschen aus Heidelberg, Mannheim, Ludwighafen, dem Rhein-Neckar- sowie dem Neckar-Odenwald-Kreis. Die 2007 gestartete Untersuchung wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und von der Dietmar Hopp Stiftung gemeinsam finanziert.
Weltweit laufen derzeit mehrere Studien zum Lungenkrebs-Screening. In den USA zeigte der „National Lung Cancer Screening Trial” (NLST), dass bei Personen mit hohem Risiko ein jährliches CT-Screening die Lungenkrebs-Sterblichkeit um 20 Prozent und die Gesamtsterblichkeit um sieben Prozent senken kann. Für große Bedenken sorgt bei diesen Studien die hohe Zahl von Teilnehmern, die wieder einbestellt werden müssen, um verdächtige Befunde zu überprüfen, die sich dann gar nicht als Lungenkrebs herausstellen. Diese hohe Rate falsch positiver Ergebnisse könnte dazu führen, dass sich das Lungenkrebs-Screening als nicht durchführbar herausstellt: aus Kostengründen, wegen der invasiven Nachuntersuchungen und weil die Teilnehmer unnötig in Angst und Schrecken versetzt werden.
Bei LUSI wurden starke Raucher zwischen 50 und 69 Jahren entweder einer Screening- (2029 Personen) oder einer Kontrollgruppe (2023 Personen) zugeteilt. Die Teilnehmer der Screening-Gruppe erhielten vier Jahre lang jährlich eine Mehrschicht-Computertomographie. Die Kontrollgruppe wurde jedes Jahr befragt und eventuelle Einträge beim Krebsregister werden überprüft. Alle Teilnehmer wurden mindestens über drei, großenteils sogar fünf Jahre und länger beobachtet. In der aktuellen Auswertung verglichen die Wissenschaftler die erste Screening-Runde mit den darauffolgenden bezüglich Wiedereinbestellungsrate, Detektionsrate und dem Auftreten von Intervallkarzinomen.
Nach der ersten Screening-Runde ging der Anteil an Wiedereinbestellungen deutlich zurück, von 20 Prozent auf drei bis vier Prozent in der zweiten bis vierten Runde. Lungenkrebs wurde in der ersten Runde bei 1,1 Prozent der Teilnehmer in der Screening-Gruppe entdeckt, die Rate fiel dann auf durchschnittlich 0,5 Prozent in den darauffolgenden Runden.
„Wenn sich verdächtige Befunde im ersten CT in der darauffolgenden Untersuchung nicht verändert haben, ist es offensichtlich, dass es sich nicht um Krebsherde handelt. In solchen Fällen müssen wir nicht erneut abklären“, erklärt Stefan Delorme, der radiologische Leiter von LUSI, den Rückgang der anfallenden Kontrolluntersuchungen.
Während der ersten beiden Jahre war die Anzahl fortgeschrittener Lungenkrebsfälle in Screening- und Kontrollgruppe beinahe identisch. Ab dem dritten Jahr jedoch begann die Anzahl der fortgeschrittenen Fälle in der Screening-Gruppe zu sinken. Aussagen zur Lungenkrebssterblichkeit können die Forscher zu diesem Zeitpunkt der Auswertung noch nicht treffen.
„Häufiger falsch positiver Alarm ist ein ernstzunehmender Kritikpunkt am Lungenkrebsscreening”, sagt Studienleiter Nikolaus Becker. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich das Problem nur im Rahmen eines organisierten Screenings in den Griff bekommen lässt. Wenn die Menschen bei einem „grauen Screening“ jedes Mal einen anderen Arzt ihrer Wahl aufsuchen, dem die vorangegangenen Aufnahmen und Befunde nicht vorliegen, kann die Wiedereinbestellungsrate in den folgenden Runden nicht sinken.“
Becker N., Motsch E., Gross M.-L., Eigentopf A., Heussel C.P., Dienemann H, Schnabel P.A., Eichinger M., Optazaite D.-E., Puderbach M.; Wielpütz M., Kauczor H.-U., Tremper J., Delorme S.: Randomised study on early detection of lung cancer with MSCT in Germany: results of the first 3 years of follow-up after randomization: Journal of Thoracic Oncology 2015, DOI: 10.1097/JTO.0000000000000530
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