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Von Krebs-Genen bis Mammut-DNA: Neues Verfahren macht geringste Mengen genetischen Materials lesbar

Nr. 35b2 | 15.07.2014

Heidelberger Wissenschaftler haben eine hochempfindliche und schnelle Methode entwickelt, um Bruchstücke von Erbinformation z.B. aus Blutplasma zu filtern und auszuwerten. Das innovative Verfahren kann in Zukunft die Krebsdiagnostik verfeinern und die Früherkennung von Metastasen verbessern. Weitere Einsatzgebiete sehen die Wissenschaftler bei der Verbrechensaufklärung oder Erforschung menschlicher und tierischer Überreste. Die neue Technik wird in der Juli-Ausgabe von „RNA Biology“ beschrieben.

Die Heidelberger Krebsforscher Prof. Barbara Burwinkel, Dr. Harald Surowy und Dr. Andrey Turchinovich werten DNA-Sequenzen am Rechner aus.
© Universitätsklinikum Heidelberg

Wächst im Körper ein Tumor, gelangen kontinuierlich in geringen Mengen Bruchstücke seines Erbguts (DNA) sowie weitere Moleküle mit genetischer Information (RNA) ins Blut. Wissenschaftler der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben nun ein hochsensibles Verfahren entwickelt, mit dem erstmals diese minimalen Mengen genetischen Materials aus dem Blutplasma gefiltert und für eine umfassende weitere Analyse zugänglich gemacht werden können. Die DNA- oder RNA-Spuren könnten damit in Zukunft zur Verlaufskontrolle einer Krebstherapie oder zur Früherkennung genutzt werden. Ältere Methoden benötigen größere Mengen an möglichst intakter DNA oder RNA und sind sehr arbeitsaufwendig. „Das neue Verfahren benötigt nur wenig Zeit, kann größtenteils automatisiert werden und ist daher kostengünstig. Es eignet sich für den routinemäßigen Einsatz in der Patientenversorgung“, erklärt Professor Dr. Barbara Burwinkel, Leiterin der Arbeitsgruppen „Molekularbiologie des Mammakarzinoms“ an der Universitäts-Frauenklinik und „Molekulare Epidemiologie“ am DKFZ.

Erbmaterial des Tumors im Blut gibt Auskunft über therapierelevante Eigenschaften

Am Erbgut eines Tumors können Krebsspezialisten und Genetiker viele seiner Eigenschaften ablesen: Je nach Abweichung (z.B. einer Mutation) von der genetischen Information gesunder Körperzellen ist ein Tumor besonders aggressiv, spricht auf bestimmte Therapien besser an als auf andere oder neigt verstärkt zu Absiedlungen (Metastasen) und erneutem Wachstum. Da immer wieder einzelne – im Verlauf einer Chemotherapie oder Bestrahlung zahlreiche – Tumorzellen absterben, finden sich Bruchstücke dieser charakteristischen genetischen Information im Blut. RNA-Moleküle, die in Zellen und Geweben ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen, können dagegen Auskunft über die Stoffwechselaktivität des Tumors und damit seine Reaktion auf die Therapie geben. Das Problem: Im Blut werden DNA und RNA weiter abgebaut. Die dabei entsehenden Fragmente, die dazu noch in oftmals verschwindend geringen Mengen vorliegen, sind mit gängigen Verfahren kaum zu verwerten.

Anders mit der Heidelberger Methode „Capture and Amplification by Tailing and Switching (CATS)“, die zum Patent angemeldet wurde: Selbst kleinste Schnipsel werden aus dem Flüssigkeitsanteil (Plasma) einer Blutprobe abgefangen und so aufbereitet, dass sie ohne weitere Zwischenschritte vervielfältigt und analysiert werden können. Das Anlegen dieser sogenannten DNA- und RNA-Bibliothek aus der Plasmaprobe dauert ca. zwei Stunden. Die sich anschließende Analyse des genetischen Materials, Sequenzierung genannt, ist eine etablierte Methode und benötigt rund zwei Wochen wenn das gesamte Erbgut untersucht wird. Schneller geht es allerdings, wenn gezielt nach einzelnen, charakteristischen Abschnitten bzw. Sequenzen der Erbinformation gesucht wird. Das können z.B. bestimmte, therapierelevante Mutationen des Tumorgenoms sein.

Früherkennung, Diagnose und Therapiekontrolle sinnvoll ergänzen und verfeinern

CATS ersetzt allerdings nicht die Biopsie bzw. die direkte Untersuchung von Tumorgewebe. „An Tumorzellen mit vollständigem genetischen Material und Proteinoberflächenmolekülen kann man die Eigenschaften eines Tumors sehr viel genauer untersuchen als an den DNA- und RNA-Fragmenten aus einer Blutprobe“, erklärt Professor Burwinkel. „Die Methode kann allerdings die Diagnose und Früherkennung von Tumorerkrankungen und Metastasen oder wiederkehrenden Tumoren sinnvoll ergänzen und verbessern und therapiebegleitend eingesetzt werden um mögliche Resistenzen frühzeitig zu erkennen.“ Bei Brustkrebs ist z.B. bekannt, dass Metastasen, die noch Jahre nach Abschluss der ersten Behandlung auftreten können, bereits in einem sehr frühen Stadium bestimmte RNA-Moleküle ins Blut abgeben – bis zu zwei Jahre bevor sie mittels bildgebenden Verfahren diagnostiziert werden können. Regelmäßige Bluttests könnten hier eine rechtzeitige und passende Therapie unterstützen. Ebenfalls anhand von Bluttests ließe sich überprüfen, wie nach der Operation im Körper verbliebene Tumorreste oder inoperable Tumoren auf die Chemotherapie reagieren und ob sie unter der Therapie eine Veränderung durchlaufen. Auch wenn eine Biopsie nicht in Frage kommt, z.B. weil ein Tumor dann streut, könnte CATS gute Dienste leisten.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich überall dort, wo Mediziner und Wissenschaftler es mit sehr geringen Mengen schlecht erhaltener Erbinformation zu tun bekommen. Das ist z.B. in der Archäologie der Fall: Je älter eine Mumie oder Knochen in einer altertümlichen Grabstätte, desto geringer die Chance, z.B. in Haarwurzeln oder Knochenmarkhöhle brauchbare Mengen an genetischem Material zu gewinnen. Gleiches gilt für deutlich ältere, tierische Überreste wie die im russischen Permafrostboden konservierten Mammut-Kadaver. Die neue Heidelberger Methode kann in Zukunft eventuell dazu beitragen, diese Funde genauer zu untersuchen und Abstammungen, Herkunft sowie genetische Besonderheiten zu klären. Für die Forensik könnte sich CATS ebenfalls als nützlich erweisen. Denn auch auf diesem Gebiet müssen oft geringste Mengen an bruchstückhaften DNA-Spuren untersucht werden.

Bildzeile:
Die Heidelberger Krebsforscher Prof. Barbara Burwinkel, Dr. Harald Surowy und Dr. Andrey Turchinovich werten DNA-Sequenzen am Rechner aus. Foto: Universitätsklinikum Heidelberg.

Informationen im Internet:

Molekulare Epidemiologie
http://www.dkfz.de/de/mol-epi/

Molekulargenetik des Mammakarzinoms
http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Molekulargenetik-Mammakarzinom.112463.0.html

Literatur:
Capture and Amplification by Tailing and Switching (CATS): An ultrasensitive ligation-independent method for generation of DNA libraries for deep sequencing from picogram amounts of DNA and RNA: Andrey Turchinovich, Harald Surowy, Andrius Serva, Marc Zapatka, Peter Lichter and Barbara Burwinkel. RNA Biology: Volume 11, Issue 7. http://dx.doi.org/10.4161/rna.29304

Kontakt:
Prof. Dr. Barbara Burwinkel
Molekularbiologie des Mammakarzinoms
Universitäts-Frauenklinik Heidelberg

und
Molekulare Epidemiologie
Deutsches Krebsforschungszentrum
Tel.: 06221 56-8400
E-Mail: Barbara.Burwinkel@med.uni-heidelberg.de

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, Interessierte und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.

Um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Patientinnen und Patienten zu verbessern, betreibt das DKFZ gemeinsam mit exzellenten Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland Translationszentren:

  • Nationales Centrum für Tumorerkrankungen (NCT, 6 Standorte)
  • Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK, 8 Standorte)
  • Hopp-Kindertumorzentrum (KiTZ) Heidelberg
  • Helmholtz-Institut für translationale Onkologie (HI-TRON) Mainz – ein Helmholtz-Institut des DKFZ
  • DKFZ-Hector Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim
  • Nationales Krebspräventionszentrum (gemeinsam mit der Deutschen Krebshilfe)
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

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