DKTK: Entzündungen machen Tumorzellen mobil
Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung und der Ludwig-Maximilians-Universität München
Entzündungen können die Entstehung von Tumoren und das Wandern von Tumorzellen im Körper begünstigen. Das ist seit längerem bekannt. Die Mechanismen, die dabei eine Rolle spielen, lagen jedoch lange im Dunkeln. Wissenschaftlern von den Partnerstandorten München und Frankfurt des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) ist es nun gelungen, einen Rückkoppelungsmechanismus aufzudecken, der erklärt, wie chronische Entzündungen zur Krebsentstehung beitragen.
Bösartige Tumore breiten
sich im Körper aus, indem die Krebszellen auf Wanderschaft gehen. Dazu müssen
lokal wachsende Tumorzellen ihre Eigenschaften so verändern, dass sie in andere
Gewebe eindringen können. Zunehmend gibt es Hinweise, dass auch Entzündungen
diesen Prozess auslösen können. Eine wichtige Rolle spielt dabei der
körpereigene Botenstoff Interleukin 6 (IL-6). Er wird sowohl von Immunzellen
als auch von Tumorzellen freigesetzt und bindet an den Interleukin 6 Rezeptor
(IL-6R) auf der Zelloberfläche. „Wir konnten nun zeigen, wie eine kurze
Exposition mit IL-6 zu dauerhaften Veränderungen von Krebszellen führen kann,
die zu einer erhöhten Mobilität und damit Metastasierung beitragen“, sagt
Professor Heiko Hermeking, der am Pathologischen Institut der
Ludwig-Maximilian-Universität in München forscht und die Studie leitete.
Mithilfe von Untersuchungen an Darmkrebszellen in der Zellkultur konnten die Wissenschaftler zeigen, dass IL-6 über eine Rückkoppelungsschleife wirkt, bei der ein extrem kurzes RNA-Molekül – die sogenannte MikroRNA-34a (miR-34a) – eine zentrale Rolle spielt. miR-34a setzt normalerweise einen Schutzmechanismus in Gang, der Tumorentstehung und Metastasierung verhindert. „Die Aktivierung des IL-6R hebelt diesen Schutz aus, indem der Faktor STAT3 aktiviert wird. Er unterdrückt das miR-34a kodierende Gen“, sagt Heiko Hermeking. „Wir konnten zudem zeigen, dass der IL-6 Rezeptor selbst durch miR-34a direkt gehemmt wird. Durch die Unterdrückung von miR-34a wird der Rezeptor daher zusätzlich verstärkt gebildet.“ So entsteht eine Feedbackschleife, die je nachdem, ob miR-34a oder IL-6 überwiegt, krebsfördernde Gene unterdrückt oder aktiviert.
Entzündungen im Körper
führen zu einer vermehrten IL-6 Ausschüttung – somit können chronische
Entzündungen über den neu entdeckten Signalweg zur Entstehung von Metastasen
beitragen. „Dies haben wir nun zum ersten Mal im Mausmodell in vivo nachweisen können. Mäuse, die
kurze RNA miR34a nicht bilden können, haben wir in Zusammenarbeit mit Professor
Florian Greten vom Georg-Speyer Haus am DKTK-Partnerstandort Frankfurt
untersucht. Dabei zeigte sich, dass diese veränderten Mäuse
Entzündungs-induzierte Tumoren bilden, die invasiv wachsen. An menschlichen
Brust- und Prostatakrebszellen konnten wir außerdem zeigen, dass die neu
entdeckte Feedback-Schleife auch bei anderen menschlichen Tumorarten aktiviert
ist“, sagt Heiko Hermeking. „Außerdem zeigte die Untersuchung von Tumorzellen
zahlreicher Darmkrebs-Patienten, dass die Fern-Metastasierung mit der Aktivierung
der Feedback-Schleife zusammenhängt.“
Der neu entdeckte Rückkoppelungsmechanismus bietet die Chance, an verschiedenen Stellen therapeutisch einzugreifen. „Neben STAT3 und IL-6, die bereits etablierte Zielmoleküle in der Tumortherapie sind, legt die neue Studie insbesondere die kleine RNA, miR-34a, als weiteres therapeutisches Ziel etwa bei der Behandlung metastasierender Darmtumore nahe. Aber auch diagnostische oder prognostische Anwendungen sind denkbar“, sagt DKTK-Wissenschaftler Heiko Hermeking.
Die Forschungsarbeiten
wurden durch die Deutsche Krebshilfe und das Deutsche Konsortium für
Translationale Krebsforschung (DKTK) gefördert.
Matjaz Rokavec, Meryem Gülfem Öner, Huihui Li, Rene Jackstadt, Jiang Longchang, Dmitri Lodygin, Markus Kaller, David Horst, Paul K. Ziegler, Sarah Schwitalla, Julia Slotta-Huspenina, Franz G. Bader, Florian R. Greten, Heiko Hermeking. IL-6R/STAT3/miR-34a feedback controls EMT, invasion and metastasis of colorectal cancer. Journal of Clinical Investigation 2014, DOI: 10.1172/JCI73531.
Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen Universitätskliniken in Deutschland. Am Kernzentrum DKFZ und den sieben Partnerstandorten Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, München und Tübingen arbeiten insgesamt zwanzig Einrichtungen zusammen. Vorrangiges Ziel der im DKTK kooperierenden Wissenschaftler und Ärzte ist es, die Ergebnisse der Grundlagenforschung möglichst rasch in neue Ansätze zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krebserkrankungen zu übertragen. Dazu werden an allen Partnerstandorten gemeinsame Translationszentren aufgebaut. Patienten sollen für innovative Studien gemeinsam rekrutiert, Daten einheitlich erfasst und Labormethoden harmonisiert und innerhalb des Konsortiums verfügbar werden. Dafür bietet das DKTK den Partnern eine gemeinsame Infrastruktur für die Forschung. Aufgabe des DKTK ist es weiterhin, junge Mediziner und Naturwissenschaftler in der Krebsmedizin und der translationalen Krebsforschung auszubilden. Das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung ist eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der beteiligten Bundesländer, der Deutschen Krebshilfe und des Deutschen Krebsforschungszentrums. Es zählt zu den sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung (DZG).
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